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Wenn das Kinderzimmer
zur Folterkammer wird

»Opfer« - eine Ausstellung über häusliche Gewalt

Bielefeld (sas). Das Kleinkind schaut unschuldig und ratlos in die Welt. Und doch: »Diese Schlampe hat ihren großen Bruder verführt«, heißt die Bildunterschrift. Denn verführt worden zu sein, ist die beliebte Rechtfertigung von Tätern. Von Männern, die Kinder missbrauchen.

»Opfer« heißt die Wanderausstellung, die gestern im Polizeipräsidium eröffnet wurde. Gestaltet wurde sie von Studenten der Bauhaus-Universität Weimar in Zusammenarbeit mit der Opferschutzvereinigung »Weißer Ring«. Seit drei Jahren tourt sie durch Deutschland; in Bielefeld ist sie bis zum 23. Februar zu sehen.
»Gestern abend gegen 20 Uhr sind Beamte unseres Präsidiums wegen häuslicher Gewalt ausgerückt. Das Opfer wurde nur leicht verletzt. Es bestand aber akut Gefahr für Leib und Leben der Frau.« Mit diesem Bericht führte Polizeipräsident Erwin Südfeld in die Ausstellung ein. Ihr Thema sei aktuell: 447 Fälle häuslicher Gewalt und 225 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung wurden 2005 in Bielefeld von der Polizei verfolgt. Dahinter verbergen sich Schicksale und ein Leben in Angst und Scham. »Die Opfer sind in erster Linie weiblich, häufig Kinder.«
Was sie mitmachen, welches Leid sie erdulden und auch vertuschen (»Ich bin die Treppe hinuntergefallen«, sagt die Frau mit den Spuren von Faustschlägen im Gesicht) will die Ausstellung zeigen. Da ist dann das Kinderzimmer mit Schiefertafel, Teddy und Spielzeugautos eben laut Bildzeile auch eine Folterkammer oder, drastischer, ein Babystrich. Und ein Kleinkind mit »Püppchen-Mund« dient als Sexspielzeug.
»Die Bilder erfordern den Mut zum Hinschauen«, betonte Südfeld. Bürgermeister Horst Grube gestand zu, dass sie entsetzen und an die Grenzen gehen. Aber sie geben den Opfern Gesichter, ergänzte er - und sie fordern eine Kultur des Hinsehens. 185 000 Gewaltdelikte seien in NRW jährlich registriert, sagte Karl-Heinz Braun, Landesvorsitzender des Weißen Ringes. »Hinzu kommen die Delikte hinter verschlossenen Türen.« Jede zehnte Frau wird Opfer häuslicher Gewalt.
Die Schau ist montags bis freitags sowie am Samstag, 17. Februar, von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Sie wird durchgängig betreut.

Artikel vom 08.02.2007