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Plasma hält Giganten der Meere dicht

Kleine Düse mit großer Wirkung: Steinhagener Hochtechnologie in Erdgastankern eingesetzt

Von Annemarie Bluhm-Weinhold
Steinhagen (WB). Ohne eine kleine Düse aus Steinhagen gäbe es drei der größten Erdgastanker dieser Welt vielleicht gar nicht. Denn der Hochtechnologie der Firma Plasmatreat ist es entscheidend mit zu verdanken, dass die supermodernen Membrantanks der »EnergY«, der »Provalys« und der »Gaselys« dicht halten.

Die drei Riesen, die in den Docks der traditionsreichen Werft »Aker Yards« (früher »Les Chantiers de l'Atlantique«) im französischen St. Nazaire gefertigt wurden, sind technisch revolutionär. Und genau das brachte die Ingenieure schier zur Verzweiflung.
Denn die Tanks waren einfach nicht dicht zu bekommen. Die EnergY sollte 2004 als erstes Schiff der Reihe mit der neuen, von GTT (Gaztransport Technigaz) entwickelten Isolationstechnik CS 1 ausgestattet werden, die eine unglaubliche Steigerung der Tankerkapazität von 8000 Kubikmetern (Gesamtladevolumen: 153 500 Kubikmeter) ermöglichte. Aus zwei Isolierschichten bestehen die Wände der Tanks, doch traten immer wieder Undichtigkeiten auf, weil Verklebungen nicht hundertprozentig hielten. Weder mit Chemie noch mit Beflammen waren die Oberflächen der Isolierschichten wirklich rein zu bekommen.
Die Auslieferung hatte sich bereits verzögert, was den früheren Eigentümer Alstom allein bei der »Provalys« 90 Millionen Euro kostete. Und da fiel einem Mitarbeiter des Energiekonzern Gaz de France, Auftraggeber der Schiffe, ein, von einer deutschen Technologie gehört zu haben, die in der Automobilindustrie schon Unglaubliches geleistet hatte: Plasma, als vierter Aggragatzustand (nach fest, flüssig und gasförmig) eine Materie, die so energiegeladen ist, dass sie - und zwar absolut umweltfreundlich - die Mikrostruktur von Oberflächen verändern kann.
So erst halten Aufkleber beispielsweise auf Honiggläsern und Aufdrucke auf Spielzeug von Lego, und so behalten Gummidichtungen in Autotüren bei Kälte wie bei Wärme ihre Konsistenz. Kurzum: Der Plasmastrahl aus den Düsen »made in Steinhagen« wird von der Industrie rund um den Globus sehr geschätzt. Zumal er - und das ist der patentierte Clou der Firma - Openair, unter Normaldruck und nicht Vakuum, funktioniert.
Doch bisher war er stets im Kleinen, niemals auf so großen Flächen eingesetzt worden, wie das auf der EnergY und ihren Schwestern nötig war. Plasmatreat-Chef Christian Buske und seine Leute reagierten jedenfalls prompt, als die Franzosen mit dem Großauftrag in Steinhagen an die Tür klopften.
Ein wahres Abenteuer, auf das sie sich einließen: Schließlich hatten die 20 Roboter mit integrierten rotierenden Düsen einen regelrechten Marathonlauf zu absolvieren. Auf gigantischen Gerüsten, fünf Etagen hoch, befreiten sie die Kanten-Nahtstellen der Isolierplatten von mikrofeinen Stäubchen - Zentimeter um Zentimeter rückten sie vor, 40 Kilometer insgesamt auf jedem Schiff. Und endlich hielten die sogenannten Triplex-Bänder vorschriftsmäßig. »Die Umgebungsatmosphäre in einem Testlabor entspricht nun einmal nicht der reellen Situation«, sagte Aker Yards Contract Manager Yves Pelpel in einem Interview. Eine Werft ist eben eine Baustelle. Und auch das gehört zur erfolgreichen Bilanz: »Die Zusammenarbeit zwischen deutschen und französischen Ingenieuren war hervorragend.«

Artikel vom 03.02.2007