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Behörde stuft enge Kajüte
als Hauptwohnsitz ein

Ex-Marinesoldat klagt - erster Erfolg vor Verwaltungsgericht

Von Christian Althoff
Bielefeld (WB). Eine enge Neun-Mann-Kajüte auf einer Fregatte war nach Ansicht der Stadt Bielefeld jahrelang die Hauptwohnung eines Soldaten. Deshalb soll er für sein Appartement in Bielefeld Zweitwohnungssteuer zahlen.
Anwalt Ulrich Schrade klagt gegen die Stadt.

Der Zeitsoldat aus Bielefeld war von Oktober 1999 bis Dezember 2005 bei der Bundesmarine - zunächst auf der Fregatte Rheinland-Pfalz, später auf der Schleswig-Holstein. Dort teilte er sich eine etwa 25 Quadratmeter große Kajüte mit acht Kameraden. »Viel Platz hat man dort nicht«, sagte gestern Fregattenkapitän Udo Sparwel. »In der Kajüte stehen neun Kojen und zwei Schreibtische, außerdem hat jeder Soldat einen großen und einen kleinen Spind. Eine Wohnung kann man das wahrlich nicht nennen.«
Trotzdem zwang die Stadt Wilhelmshaven den Bielefelder unter Androhung eines Bußgeldes, seinen Hauptwohnsitz in Wilhelmshaven anzumelden. Stadtsprecher Ralf Pleitz: »Selbst, wenn ein Soldat die meiste Zeit auf See ist: Das Meldegesetz sieht vor, dass der Heimathafen als Hauptwohnsitz gilt.« Ausnahmen gebe es nur für verheiratete Marinesoldaten und Wehrpflichtige. Wilhelmshaven achte sehr darauf, dass sich die Soldaten dort anmeldeten, denn für jeden Einwohner bekomme die Stadt jährlich 650 Euro vom Land zugewiesen.
Nachdem der Bielefelder sich notgedrungen umgemeldet hatte, bekam er irgendwann Post von seiner Heimatstadt: Da Wilhelmshafen nun sein Hauptwohnsitz sei, müsse er für seine Wohnung in Bielefeld Zweitwohnsitzsteuer bezahlen - Êpro Monat zehn Prozent der Kaltmiete.
Der Soldat weigerte sich, und die Forderung der Stadt summierte sich schließlich auf 600 Euro. Rechtsanwalt Ulrich Schrade reichte für den Bielefelder, der inzwischen aus der Marine ausgeschieden ist, Klage beim Verwaltungsgericht Minden ein. Außerdem beantragte er bei Gericht die »Herstellung der aufschiebenden Wirkung«, damit sein Mandant bis zum Hauptverhandlungstermin erst einmal nicht zu zahlen braucht.
Der Anwalt: »Melderechtlich war es völlig in Ordnung, dass sich der Soldat in Wilhelmshaven anmelden musste. Aber das Zweitwohnungssteuergesetz ist von der Stadt Bielefeld nicht richtig angewendet worden. Denn es setzt voraus, dass jemand zwei Wohnungen besitzt -Êund das hat mein Mandant definitiv nicht.« Eine Neun-Mann-Kajüte, in der es keine Intimsphäre gebe und die man nicht nach eigenen Vorstellungen möblieren könne, sei nunmal keine Wohnung, sagte Ulrich Schrade.
Die Verwaltungsrichter der 11. Kammer scheinen das ähnlich zu sehen: Sie haben am vergangenen Freitag dem Antrag des Anwaltes entsprechend die aufschiebende Wirkung wieder hergestellt, weil die Klage »Aussicht auf Erfolg« habe. Der Fall wird nun am 14. Februar verhandelt. Die Stadt Bielefeld wollte sich gestern nicht äußern. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 01.02.2007