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Der Titel ist die beste Therapie

Zum DHB-Geheimrezept gehören aber auch McDonalds und Adrenalin

Von Oliver Kreth (Text)
und Sören Voss (Foto)
Köln/Wiehl (WB). Die Brand-Buben sind gezeichnet - aber es geht ihnen ausgezeichnet. Nach dem Halbfinaleinzug ist die Stimmung im Team der deutschen Nationalmannschaft noch besser als bisher. Trotz der Schmerzen, die aus mehreren WM-Schlachten resultieren.

Die Reha-Abteilung und das Mediziner-Team um Berthold Hallmaier müssen Überstunden schieben. Gerade nach dem 27:25 gegen Spanien herrschte verschärfter Behandlungsbedarf.
Schlaf gefunden hat das erfolgreiche Team in der Nacht zu Mittwoch erst spät. Lemgos Rechtsaußen Florian Kehrmann: »Nach der Heimfahrt haben wir noch eine Runde Poker gespielt, sind erst spät ins Bett gekommen.« In den Gesprächen drehte sich fast alles um das große Ziel. »Wir wollen Weltmeister werden« hatte »Flo« früh die Parole ausgegeben.
Und was lange wie ein Märchen klang, kann am Sonntag Realität werden. Angst vor den Franzosen, gegen die das DHB-Team heute (17.30 Uhr/ZDF live) antreten muss, hat keiner mehr. Kehrmann: »Wir haben bewiesen, dass wir alle schlagen können. Warum nicht die Franzosen ein zweites Mal? Wir werden nichts an unserem großen Ziel ändern.« Der Titelgewinn als beste Therapie. Damit das erreicht werden kann, ist erneut eine starke Abwehr nötig. Der Chef der Maurer-Abteilung hatte sich gegen den spanischen Kreisläufer eine Wunde unterhalb des linken Auges zugezogen. Das war dem Bundestrainer entgangen. Heiner Brand grinsend: »Ich habe Oliver Roggisch heute früh noch gar nicht ins Gesicht gesehen. Er ist ja viel später aufgestanden als ich.«
Auch der Noch-Magdeburger präsentierte sich gestern bestens gelaunt. Roggisch: »Das Zusammenspiel zwischen Innenblock und Henning Fritz funktioniert jetzt richtig gut. Mit Urios hatten wir einige Probleme, aber die letzten beiden Anspiele haben wir abgefangen und damit die Partie gewonnen. So kann Sport sein.«
Auch er setzt neben der medizinischen Abteilung ganz auf Adrenalin-»Doping«. Das Hormon fließt derzeit dank Riesenstimmung in den Hallen reichlich durch die Handballer-Blutbahnen. Christian Schwarzer, im Wechsel mit Sebastian Preiß im Innenblock: »Wenn du da rein marschierst, ist jeder Schmerz und jede Müdigkeit vergessen.«
Der Reaktivierte kam ebenfalls nicht ungeschoren aus dem Fight. Er hat eine Prellung an der Hand. Aber auch die wird ihn nicht bremsen. Überhaupt gab Heiner Brand gestern Entwarnung, er hofft sogar auf den Einsatz von Regisseur Markus Baur. Brand: »Mit unserem Kopf im Kader haben wir wieder eine gute Alternative und Ergänzung zu Michael Kraus.« Baur sieht es als gutes Omen an, dass »Les Bleus« Olympiasieger Kroatien ausgeschaltet hatten. »Gegen Frankreich haben wir schon öfter gewonnen als gegen Kroatien«, sagte er mit einem Schmunzeln, warnte aber zugleich: »Die Franzosen haben eine bombastische Abwehr.«
Bei allem Glauben an die eigene Stärke vertrauen die deutschen Handballer auf lieb gewonnene Traditionen. Nach jedem Einzug in ein Halbfinale seit 2002 rückte die komplette Mannschaft bei McDonalds ein. »Bei der EM damals mussten wir den Bundestrainer dazu überreden. Da er abergläubisch ist, konnten wir das hier fortsetzen«, berichtet Oldie Schwarzer (37). »Es hat bisher immer geholfen.«

Artikel vom 01.02.2007