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Nun doch ein Wintermärchen

Fans tragen DHB-Team - Baur: »Geburtsstunde einer neuen Generation«

Von Volker Krusche
und Oliver Kreth
Dortmund (WB). Ein Meer von schwarz-rot-goldenen Fahnen. 12 000 Fans in der ausverkauften Dortmunder Westfalenhalle singen die deutsche Nationalhymne. Welch eine Atmosphäre. Niemand bleibt unberührt davon. Auch die Spieler nicht. »Da läuft es einem eiskalt den Rücken runter«, gesteht Henning Fritz. »Aber es beflügelt auch ungemein.«

Und gerade diese Rückendeckung ist es, die inzwischen den Vergleich mit der Fußball-Weltmeisterschaft nahe legt. Dem Sommermärchen folgt nun tatsächlich das Wintermärchen. Die deutsche Mannschaft wird auf einer Woge der Begeisterung getragen und auch dadurch zu nicht für möglich gehaltenen Leistungen getrieben. Das erreichte Minimalziel Viertelfinale soll noch längst nicht die Endstation sein.
In der Vorrunde kritisiert, weil nicht so recht aus den Startlöchern gekommen und durch aufgestauten Erwartungsdruck eines Gastgebers hinter den Möglichkeiten zurück geblieben, hat sich Brands Team längst frei gespielt und sogar dicke Ausrufezeichen wie gegen den Europameister gesetzt.
Kapitän Markus Baur ging nach der überragenden Vorstellung vom Samstag beim hoch verdienten 29:26 gegen Titelaspirant Frankreich (Trainer Onesta: »Davon will ich nichts mehr hören«) noch weiter: »Das ist die Geburtsstunde einer neuen Generation. Dieses Team besitzt ein Riesenpotenzial.«
Hat Deutschland wieder eine goldene Generation? Nach Volker Zerbe, dem für die WM reaktivierten Christian Schwarzer, Daniel Stephan oder Baur stehen die Nachfolger parat, setzen bereits auf dem Parkett bemerkenswerte Akzente. »Unser großes Plus ist es, dass wir über 20 Spieler auf gleichem Niveau verfügen, die sich zudem ausgezeichnet ergänzen«, nennt Nordhorns Holger Glandorf einen entscheidenden Trumpf des Gastgebers. Torsten »Toto« Jansen ergänzt: »Wir sind nah am Optimum.«
Eine Portion Genugtuung nach seiner deutlichen Leistungssteigerung verspürt Torhüter Henning Fritz. »Nach der Vorrunde hatten uns viele schon abgeschrieben. Nach den Spielen gegen Slowenien und Tunesien hieß es, dass wir nur gegen durchschnittliche Mannschaften gewinnen können. Doch spätestens seit Samstag wissen alle, dass wir es mit allen Gegnern, auch denen aus der absoluten Weltspitze, aufnehmen können.«
Der »alte Fritz« hatte maßgeblichen Anteil daran, dass das aktuelle deutsche Team auch sportlich ein neues Gesicht erhielt. »Die ehemalige Erfolgsmannschaft zeichnete sich dadurch aus, dass sie wenig Fehler machte. Das neue Team ist aber auf dem besten Wege, mit den Vorgängern gleichzuziehen«, befindet der Kieler.
Deutschland steht im Viertelfinale, muss morgen in Köln ran. Angst haben Brands Spieler vor keinem Gegner. »Warum auch? Wer Frankreich 60 Minuten im Griff hat, der kann gegen jeden bestehen«, sagt Michael Kraus, der »Spieler des Spiels« gegen den amtierenden Europameister. »Eine harte Deckung und vorn lange Angriffe mit konzentrierten Abschlüssen - so muss es weiter gehen. Dann ist sicher mit uns zu rechnen«, strotzt nicht nur Abwehrchef Oliver Roggisch mittlerweile nur so vor Selbstvertrauen. Und mit dem tollen Publikum im Rücken wurde auch aus dem einstigen Sorgenkind Henning Fritz inzwischen eine unverzichtbare Größe im deutschen Tor, die ihren Optimismus wieder gefunden hat. »Jetzt steht uns alles offen!«
Deutschlands neue Handball-Generation - vielleicht schon bald eine goldene... Weitere Berichte zur Handball-WM finden Sie auf den Sportseiten 6 und 7 und im Internet unter www.westfalen-blatt.de

Artikel vom 29.01.2007