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Das Herz schlägt bis zum Hals

Ob als Wischer oder Daten-Experte: Volunteers sind mittendrin statt nur dabei

Von Gunnar Feicht
Halle (WB). Diese Woche Urlaub hat sie gerne geopfert - das Erlebnis, während der Handball-WM mittendrin statt nur dabei zu sein, kann Romina Lierse niemand mehr nehmen: »Es ist super aufregend. Wenn der Anpfiff ertönt, du direkt neben dem Schiedsrichter an der Spielfeldecke sitzt und hinter dir die Zuschauer brüllen, schlägt das Herz bis zum Hals.«

Die Kreisläuferin von Oberligist Spvg. Steinhagen fungiert mit fünf Klubkameradinnen als Wischerin, sorgt während der Spielpausen für ein trockenes, rutschsicheres Parkett. Sechs von insgesamt 60 Volunteers (rund die Hälfte aus dem Altkreis), deren zuverlässige, unentgeltliche Arbeit im Verborgenen zur begeisternden WM-Atmosphäre in Halle beiträgt: Ohne sie wäre Sand im Getriebe - ob es nun die Arbeit der 400 Medienvertreter, den Fahrdienst, den reibungslosen Spielablauf, die Hymnenzeremonie oder die Erarbeitung der umfangreichen Statistiken angeht.
Sie sind fast alle selbst begeisterte Handballer, lassen sich natürlich nur zu gerne von Atmosphäre und Spannung der Spiele mitreißen, müssen aber gleichzeitig voll konzentriert sein. »Natürlich darf ich klatschen und jubeln, wenn die deutsche Mannschaft ein Tor wirft. Aber wir müssen auch ständig auf die Signale der Schiedsrichter und Spieler achten.« Romina Lierse & Co. verfolgen die Partien mit ähnlich präzisem Blick wie wahrscheinlich sonst nur die Trainer. Nach umfangreicher Schulung in den Tagen vor dem ersten Spiel haben die Steinhagenerinnen ihre Aufgabe bisher buchstäblich blitzsauber gemeistert: »Ein Ordner aus der Lemgoer Lipperlandhalle hat uns schon gelobt: ÝIhr werdet sofort für den TBV engagiertÜ.« Rutschpartien auf den Werbeflächen wie beim Eröffnungsspiel in Berlin hat die Haller Wischkolonne gar nicht erst zugelassen - und so musste auch kein Haarspray zweckentfremdet werden wie in der Bremer Halle.
Mindestens genauso konzentriert verfolgen Detlef Hein, Dirk Degenhardt (beide aus Vermold), Daniel Potthoff (Borgholzhausen) und ihre Kollegen vom »Scouter«-Team die Spiele in Halle. Sie sind für die sechs DINA4-Seiten starke Matchstatistik zuständig. Über das Eingabe-Gerät, einen kleinen Palmtop-Computer mit Touchscreen-Oberfläche, fließt jedes noch so winzige Detail des sportlichen Ablaufs in die Datenbank ein und ergibt ein schonungsloses Bild der Effektivität einzelner Spieler, aber auch der beiden Mannschaften.
Das Zahlen- und Datenmaterial ist wichtiges Hilfsmittel für Journalisten, Trainer und Taktik-Tüftler. »Wurfbilder und Effektivität registrieren wir ja in unteren Spielklassen ebenfalls. Solche Zahlen sind auch im Videozeitalter absolut anwendbar«, weiß Detlef Hein als Landesliga-Trainer aus der Praxis.
Der Versmolder und seine Kollegen haben mit einer Demo-Version des Programms seit Anfang Januar fleißig trainiert. »Zu Hause am Fernseher habe ich dann das Eröffnungsspiel als Generalprobe genutzt«, sagt Hein. Mittlerweile bildet er mit seinen insgesamt fünf Kollegen eingespielte Zweierteams, die jeweils einer Mannschaft ganz genau auf die Finger schauen: »Der eine beobachtet und sagt an, der andere gibt ein. Mittlerweile funktioniert das wie im Schlaf, vom anderen Team des jeweiligen Spiels bekommst du aber absolut nichts mit«, beschreibt Hein die Arbeit auf den Plätzen direkt hinter dem Kampfgericht und den übrigen Offiziellen. Auf der Internetseite www.ihf.info ist der Arbeitsnachweis der Scouter nachzulesen.
Auch in den anderen Funktionen erfüllen die Volunteers akribisch ihre Aufgabe - mit derselben Begeisterung wie sie sich sonst im Heimatverein für den Handball engagieren.

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Artikel vom 26.01.2007