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Piumer Handwerker im Dauereinsatz

»Kyrill« und die Folgen - Stadt kümmert sich um die Sturmschäden - Prioritätenliste

Von Antje Kreft (Text und Fotos)
Borgholzhausen (WB). Sechs Tage ist es her, dass der Orkan »Kyrill« heftig in Europa wütete und auch in Borgholzhausen seine zerstörerischen Spuren hinterlassen hat. Die Aufräumarbeiten sind derweil noch in vollem Gange. »Wir haben mehr als 300 Aufträge. Die werden uns die nächsten Monate beschäftigen«, teilte Horst Bergander, Inhaber von Bergander Bedachungen, mit.

Gleich Freitagmorgen, einige Stunden nach den schweren Böen, rückten seine Mitarbeiter aus, um sich um die ersten Dächer zu kümmern. Horst Bergander: »Wir haben mit Notabdeckungen in Wohnhäusern begonnen, jetzt kümmern wir uns auch um die Wirtschaftsgebäude der Bauern.« Die ganze Familie Bergander hat in den vergangenen Tagen mitgeholfen, die unzähligen Anrufe entgegenzunehmen. »Das Telefon stand einfach nicht still. Die ersten Anrufe kamen bereits während des Sturms.« Zwei seiner Mitarbeiter, die Gesellen Mirco Schwing und Theodor Probst, waren gestern unter anderem bei Anneliese und Wilfried Osiek im Einsatz. Der Sturm hatte etwa 200 Dachpfannen von ihrem 117 Jahre alten Haus gefegt. »Der Sturm war um 19 Uhr und um 21 Uhr am heftigsten. Wir haben gehört, wie die Pfannen reihenweise auf den Boden klatschten«, erinnert sich Wilfried Osiek. Nach fünf Tagen Aufräumen hat das Ehepaar die Lage aber gut im Griff. Nur wenige Pfannen fehlen noch. Die Eindrücke jedoch bleiben. »So etwas habe ich noch nicht erlebt. Und ich bin nicht mehr der Jüngste«, sagte der Rentner.
Auch das Ravensberger Stadion sieht ziemlich mitgenommen aus. Das Dach der Umkleiden hat »Kyrill« an einer Stelle wie eine Sardinenbüchse geöffnet. Obwohl das Gebäude erst zehn Jahre alt ist. »Der Dachüberstand bei den Umkleideräumen ist nur gering. Der Sturm hat dort voll zugeschlagen. Die Holzbalken stehen in Längsrichtung, das ist rein mechanisch gar nicht zu leisten. Unglaublich, wie extrem Naturgewalten sein können«, äußerte sich Bürgermeister Klemens Keller zu den Auswirkungen des Sturms. Die Höhe des Schadens im Ravensberger Stadion ist noch nicht bekannt, wie Eckhard Strob, allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters, mitteilte: »Zunächst muss das zerstörte Dach abgeräumt werden, dann lässt sich Genaueres sagen. Fest steht, dass allein der Schaden im Stadion beträchtlich ist.« Die Aufräumarbeiten dort sollen heute beginnen. Mauerwerk muss instandgesetzt und der Dachaufbau erneuert werden. Auch die Rauchabzugsanlage ist laut Strob beschädigt. Die Verwaltung will in den nächsten Tagen eine Prioritätenliste entwickeln. Strob: »Viele Straßenabläufe sind verstopft, das Wasser läuft nicht ab. Auch das muss gemacht werden.«
Den Sportplatz Kleekamp hat der Orkan fast unter sich begraben (wir berichteten). Zahlreiche Bäume und ein Flutlichtmast stürzten auf den Ascheplatz. Die Bäume sollen in den nächsten Tagen geschnitten und entfernt werden. Vereinsmitglieder des TuS Solbad Ravensberg haben ihre Unterstützung angekündigt. Sie wollen fegen und Äste einsammeln, damit dort möglichst bald wieder Fußball gespielt werden kann.
Nicht nur die Mitarbeiter der Stadt, Dachdecker und engagierte Sportler haben in diesen Tagen nach dem Sturm ordentlich zu tun, sondern auch die Informationstechniker. »Kyrill« hat unzählige Satellitenschüsseln im Stadtgebiet zum Einsturz gebracht. Harald Schacht, Inhaber des Elektronik-Fachgeschäfts Walkenhorst, und seine Mitarbeiter Klaus Meyer, Karsten Koch und Andreas Buxel sind zurzeit mehr als sonst auf den Dächern Borgholzhausens unterwegs. Die Männer sind seit 20, 15 und 10 Jahren als Elektrotechniker und Radio- und Fernsehtechniker im Einsatz. Ihr Resümee fällt einhellig aus: »So etwas haben wir noch nicht erlebt.« Viele Schüsseln seien verdreht, weil sie nicht richtig festgemacht worden sind. Zahlreiche Masten hätten sich gelöst, weil Holz bekanntlich »arbeitet«, zusammengeschrumpft ist. »Als Halterung empfiehlt sich eine aus Metall wie etwa verzinktes Stahlblech. Plastik ist nicht brauchbar. Hauseigentümer befestigen die Anlage oft auch nur halbherzig. Und beachten aus Unwissenheit die Vorschriften zu wenig - zum Beispiel, die Anlage wegen Blitzschutz zu erden«, erklärte Andreas Buxel. Einem Borgholzhausener ist seine Satellitenschüssel am vergangenen Donnerstag zum Rettungsanker geworden, wie Horst Bergander berichtete: »Ein Mann war während des Sturms aufs Dach geklettert, weil er Schlimmeres verhindern wollte. Die Leiter fiel ihm weg und er konnte sich gerade noch rechtzeitig an seiner Satellitenschüssel festhalten.«

Artikel vom 24.01.2007