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»Wenig bleibt wie es ist, nichts kommt von allein«

Neujahrsempfang der Kreis-CDU: Meinungsforscher Klaus-Peter Schöppner blickte in die ferne Zukunft

Kreis Herford (gb). Im Jahr 2020 werden sich die Bürger zwischen Geld oder Zeit entscheiden müssen. Davon ist Klaus-Peter Schöppner, Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Emnid, überzeugt. Er sprach vor etwa 350 Gästen beim Neujahrsempfang der Kreis-CDU im Stadtpark-Schützenhof Herford.

Dort begrüßte Kreisvorsitzender Wolfgang Aßbrock, CDU-Landtagsabgeordneter, viele Parteifreunde. Aßbrock sprach die Hoffnung aus, dass die Bürger wieder optimistisch in die Zukunft blicken könnten. Die Politik müsse die Bürger bei ihren Entscheidungen aber mitnehmen. Man könne Reformen nur gemeinsam mit den Menschen zum Erfolg führen. Wer mehr Freiheit und Flexibilität fordere, müsse zugleich auch mehr Sicherheit bieten.
Aßbrock würdigte die Leistungen der CDU-geführten Landesregierung. Sie baue Schulden ab und könne in diesem Jahr einen Haushalt beschließen, der mit der Landesverfassung im Einklang stehe. Für die vorschulische Sprachförderung stelle die Regierung deutlich mehr Finanzmittel zur Verfügung. In diesem Jahr sollen zusätzlich 900 Lehrer eingestellt werden. Der Unterrichtsausfall habe schon jetzt um die Hälfte verringert werden können.
Wie die Gesellschaft in 13 Jahren seiner Meinung nach aussehen könnte, malte Klaus-Peter Schöppner aus. »Wenig bleibt wie es ist, nichts kommt von ganz allein«, zitierte er Willy Brandt. Mit diesen Entwicklungen könnten die Bürger rechnen: Städte wie Herford müssten sich auf eine multikulturelle Gesellschaft mit vielen Ausländer einstellen, die hier und überhaupt in Westeuropa leben und arbeiten wollten.
Der technische Fortschritt erleichtere das Leben; davon profitierten alle Altersgruppen - Schüler genauso wie Senioren - und müssten daran teilhaben. Als Beispiel nannte Schöppner elektronische Prüfgeräte, die Verbraucher auf dem Markt einsetzen könnten, um Obst und Gemüse auf ihre biologische Verträglichkeit überprüfen. Die Technik übernehme die Kontrolle. Umweltgesetze würden allgemein überflüssig, wer bis dahin im Umweltschutz gearbeitet habe, sei 2020 arbeitslos.
Weil die Gesellschaft stark altere, müssten die Senioren in den besten Jahren verstärkt in das gesellschaftliche Leben und den Arbeitsprozess einbezogen werden. Das alte Familienbild verschwinde. Die Menschen lebten in »Club-Familien«, die sich über gemeinsame Interessen definierten.
Das Arbeitsleben werde sich »brutal« verändern. Jeder sei gehalten, seine »Beschäftigungsfähigkeit« durch dauerhafte Fortbildung zu erhalten. Jahrzehntelanges Arbeiten in einem Unternehmen sei vorbei. Phasen von Arbeit und Arbeitslosigkeit wechselten häufig einander ab.
Aus diesem Bild folgen nach Darstellung von Schöppner mehrere Szenarien. Eine: Die Menschen streben nach Gleichheit und Sicherheit, sie leben in geringerem Wohlstand und haben mehr Zeit. Langsamkeit und Bescheidenheit prägen den Alltag. Die andere: Dynamik und Risikobereitschaft prägen die Menschen; Arbeit bestimmt ihre Zeit. Mit ein wenig Glück stehen ihnen dann Politik und Wirtschaft zur Seite und sichern Arbeitsplätze.
Die Freizeitgesellschaft wird viele Möglichkeiten schöpferischen Handelns bereit halten, für einkommensstarke Gruppen aber auch viele Angebote mit hohem Erlebnischarakter. Beispiele: Theateraufführungen mit Fünf-Gänge-Menues, Restaurants in Kirchen, Gourmet-Köche auf Wochenmärkten. Das Wohnen wird umgekrempelt. Wer kann, nimmt seine Wohnung, die in »Wohnwaben« steckt, einfach zum nächsten Arbeitsplatz in einer anderen Stadt mit.
Ob das alles so kommt, ließ Schöppner natürlich offen. Die Unverbindlichkeit ist Teil der Zukunftsforschung. Die Bürger müssten eben bereit sein, für die Zukunft, sagte der Meinungsforscher. »Wenig bleibt, wie es ist.«

Artikel vom 24.01.2007