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Staat will Privat-Daten
speichern

Verbände üben massive Kritik

Berlin (dpa). Die von der Bundesregierung geplante vorsorgliche Speicherung von Telefon- und E-Mail-Verbindungsdaten auch ohne jeden Verdacht stößt auf breiten Widerstand. 27 Verbände lehnten in einer gestern veröffentlichten gemeinsamen Erklärung den Gesetzentwurf von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) ab.In der Kritik: Ministerin Brigitte Zypries (SPD).
Sie befürchten einen massiven Eingriff in die Privatsphäre Unschuldiger und sehen die vertrauliche Kommunikation in Gefahr. Zudem halten die Kritiker die dem Gesetzentwurf zu Grunde liegende EU-Richtlinie für verfassungswidrig.
Ziel der EU-Richtlinie ist es, die Strafverfolgung und den Kampf gegen den Terrorismus zu verbessern. Danach sollen alle Verbindungsdaten zwischen 6 und 24 Monate lang gespeichert werden. Auch die Nutzung des Internets soll erfasst werden. Die Bundesregierung will die Daten ein halbes Jahr speichern lassen. Inhalte sollen nicht erfasst werden. Anrufer werden zu Beginn des Telefonats geortet.
»Eine derart weit reichende Registrierung des Verhaltens der Menschen in Deutschland halten wir für inakzeptabel«, heißt es in der von Verleger- und Wirtschaftsverbänden, Journalistengewerkschaften, Datenschützern, Anwälten, Richtern sowie Menschenrechtsorganisationen unterzeichneten Erklärung.
Ohne jeden Verdacht einer Straftat würden sensible Informationen über die sozialen und geschäftlichen Beziehungen, die Bewegungen und die individuelle Lebenssituation von mehr als 80 Millionen Bundesbürgern gesammelt. »Damit höhlt eine Vorratsdatenspeicherung Anwalts-, Arzt-, Seelsorge-, Beratungs- und andere Berufsgeheimnisse aus und begünstigt Wirtschaftsspionage. Sie untergräbt den Schutz journalistischer Quellen und beschädigt damit die Pressefreiheit im Kern«, heißt es in der Erklärung.
Nach Einschätzung des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung, einem Zusammenschluss von Bürgerrechtlern, Datenschützern und Internet-Nutzern, verstößt die Richtlinie gegen die im Europarecht verankerten Grundrechte. »Die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung ist so offensichtlich rechtswidrig, dass Deutschland zu ihrer Umsetzung nicht verpflichtet ist.« Die Kritiker stellen den Nutzen einer Vorratsdatenspeicherung grundsätzlich in Frage. Den Strafverfolgern fehlten nur selten Kommunikationsdaten. Aus einer Studie des Bundeskriminalamts ergebe sich, dass eine Vorratsdatenspeicherung die durchschnittliche Aufklärungsquote »von derzeit 55 Prozent im besten Fall auf 55,006 Prozent erhöhen« könne.

Artikel vom 23.01.2007