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Der Schritt über den Atlantik

Gütersloher Bekleidungs-Unternehmen will in den USA Fuß fassen

Von Stephan Rechlin
Gütersloh (WB). Für einen Spezialisten für Damenoberbekleidung dürfte der amerikanische Markt der schwierigste der Welt sein. Die »Marc Aurel Textil GmbH« hat den Schritt über den großen Ozean trotzdem gewagt. Seit einem halben Jahr sind die Gütersloher in den USA unterwegs - im wahrsten Sinne des Wortes.

300 Kunden konnte das Unternehmen in dieser kurzen Zeit bereits gewinnen - Einzelhändler und kleinere Kaufhäuser, die »Marc Aurel« in ihr Sortiment aufgenommen haben. »Das sind doppelt so viele wie erhofft«, freut sich Geschäftsführer Wolfgang Sondowsky.
Jeder Amerikaner gibt 681 Dollar pro Jahr für Bekleidung aus. Die Hälfte des 183 Milliarden Dollar schweren Marktes gehört der Damenbekleidung. Die »Marc Aurel Textil GmbH« (120 Mitarbeiter, Jahresumsatz 30 Millionen Euro) stellt Damenoberbekleidung her. Also einfach rüber, Filiale er öffnen und mitverdienen? »Wer so vorgeht, hat schon verloren«, sagt Karin Switalla, Exportchefin in dem 1970 gegründeten Unternehmen.
Einen reinen »Marc Aurel«-Laden gibt es in den USA bis heute nicht. Auch kein Shop-in-Shop wie in Deutschland üblich. »Marc Aurel« unterhält im gesamten Wilden Westen nicht einen einzigen Showroom, in dem die eigenen Kollektionen im besonderen Ambiente präsentiert werden könnten. Simpler Grund: »Es würde niemand kommen«, sagt Karin Switalla. Zum einen seien die Wege in den USA dafür einfach zu weit. Zum anderen seien es die Händler gewohnt, dass man zu ihnen komme.
Und zwar im Auto, über den Highway. Sechs Vertriebsprofis haben den amerikanischen Markt unter sich aufgeteilt. Vertriebsprofis wie Stan Shindler, der im voll mit Gütersloher Kleidung beladenen Caravan die Region »Mittlerer Atlantik« abfährt, darunter die Staaten Pennsylvania, New Jersey, Delaware und Washington D.C. Zum Profi wird Stan Shindler vor allem durch seine Kontakte. Er weiß, welche Bekleidungsgeschäfte in einer Stadt, in einem Vorort zu den Trendsettern zählen. In die muss man rein. Wird Marc Aurel dort verkauft, dann klappt es auch anderswo.
Shindler präsentiert die Ware im Auto oder - auf Wunsch - im Laden. »Dann bekommen wir eine Stellwand und ein Dutzend Kleiderbügel. Das wars. Der Händler schaut sich die Kleidung an und entscheidet, ob er etwas in sein Sortiment aufnimmt«, berichtet Karin Switalla, die so manche Meile mitgefahren ist. Es sei, als ob man ganz von vorn anfange: »ÝMarc AurelÜ kennt in den USA kein Mensch. Es ist eine unter 15 000 anderen Marken. Wir verkaufen uns nur über unsere Qualität.«
Es hätte noch einen anderen Weg gegeben, einen jenseits der Straße. In einem der gigantischen Modehäuser (»fashion houses«) hätte sich »Marc Aurel« eine Ladenfläche reservieren können. »Doch dort sind nur große amerikanische Marken vertreten, die ihren Vertrieb auf diese Weise vertiefen. Oder aber landesweite Kaufketten wie Bloomingdales, die hohe Abschläge verlangen, wenn sie uns ins Sortiment aufnehmen würden«, erläutert Sondowsky. Dann doch lieber mit Stan Shindler. Der Erfolg des Gütersloher Unternehmens in Amerika führt folglich über die endlosen Highways.

Artikel vom 27.01.2007