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Wohnen und leben an der Überholspur

A 33 vor der Haustür: Fritz Ostmeyer, Käthe Pali und Helmut Ruschhaupt aus Pium berichten

Von Frauke Kanbach (Text und Foto)
Borgholzhausen-Westbarthausen (WB). Kommt sie oder kommt sie nicht? Als 1962 der Bau der A 33 in Borgholzhausen und Versmold geplant wird, dauert es 21 Jahre bis zur Umsetzung und weitere dreizehn Jahre bis zum Planfeststellungsverfahren. Im Februar 2001 ist es dann so weit: Die ersten Autos und Lkw rollen auf der A 33 auch an Westbarthausen vorbei.

»50 Meter führt die Autobahn über den Hof, der einmal unserer Familie gehört hat«, sagt Fritz Ostmeyer ruhig. Wie sein Vater, der ehemalige Landrat Fritz Ostmeyer, ist auch der Sohn von der Notwendigkeit des Baus der A 33 überzeugt. Nicht mehr ganz so ruhig ist der 60-Jährige aber, wenn er daran denkt, was die zuständigen Behörden nach dem Verkauf mit dem Vermögen gemacht haben. Ein Teil des Hofes, der seit 1640 in Familienbesitz gewesen ist und noch erhalten ist, zerfällt mehr und mehr. »Man hält es am besten aus, wenn man arbeitet«, sagt Ostmeyer leise und fügt hinzu, dass er ja nicht die Heimat, sondern nur den Hof verlassen habe. Ein Pferdebetrieb hat sich nicht an der Autobahn realisieren lassen und so zog die Familie 1997 ins einen Steinwurf weit entfernte Bockhorst um, wo sie seither Pferde züchtet und ausbildet.
»Kommen wird die A 33 so oder so und es wird nur mein Geld kosten, wenn ich gerichtlich dagegen angehe«, hat sich Käthe Pali damals gesagt und lebt noch heute auf dem Hof, auf dem sie geboren wurde - 30 Meter von der Autobahn entfernt. Auch Familie Ruschhaupt sieht nach anfänglicher Ablehnung ein, dass es keinen Zweck hat, sich gegen den Autobahnbau zu stellen. Sie erinnern sich an einen Landwirt, der zwei Kotten auf der Autobahntrasse gekauft hat, um zu verhindern, dass die A 33 gebaut wird. »Gebracht hat das letztendlich aber nichts«, sagt Helmut Ruschhaupt achselzuckend und fügt hinzu, dass alles seine Vor- und Nachteile habe. Der Verlust von 5000 Quadratmetern Ackerfläche wurde aufgewogen durch eine separate Zufahrt und den Wegfall des Gemeindeweges, der zuvor direkt vor ihrer Tür entlanggeführt habe.
Mit dem Diplom-Ingenieur Horst Fischer-Riepe aus Spenge (Kreis Herford) hat den betroffenen Westbarthausener Grundbesitzern ein erfahrener Gutachter zur Seite gestanden, der sie in Rechtsfragen bei den Behörden vertreten hat.
1998 habe sie die ersten Ausgleichs- und Entschädigungszahlungen erhalten, weiß Käthe Pali noch genau - und nach den neuen Grenzbeurkundungen vor einem Jahr das letzte Geld. Sie schätzt, dass es zwischen 10 000 und 12 000 Quadratmeter Fläche, »mal hier ein Stück, mal dort ein Stück«, gewesen sein werden, die sie in ihrem Wohnzimmer verkauft habe. Danach ist es bis zum Planfeststellungsverfahren 1996 ruhig gewesen. Als 1997 die ersten Bagger anrückten, war es schlagartig vorbei mit der Ruhe und eine harte Zeit nahm ihren Lauf. Der Baustellenverkehr sei direkt an ihrer Tür vorbeigegangen, wie sich die 83-Jährige nur ungern an diese Jahre erinnert.
Nach fast sechs Jahren ist die A 33 in Westbarthausen zur Gewohnheit geworden. Dank Erdwall und Lärmschutzwand sieht man den Verkehr nur nicht, man hört ihn auch fast nicht. Käthe Pali und Familie Ruschhaupt wissen, dass sie Glück haben und ihre Höfe auf der vom Wind begünstigten Westseite liegen.
Auch wenn er jetzt in Bockhorst lebt, pflegt Fritz Ostmeyer die alten Kontakte nach Westbarthausen. Er beobachtet, dass mit Entstehen der A 33 das Gemeindeleben zunehmend in zwei Hälften zerfallen ist: die eine Hälfte zieht es nach Bockhorst und die andere nach Borgholzhausen oder Dissen. Er hätte sich zugleich mit dem Autobahnbau eine kommunale Neuordnung gewünscht. Denn heute sieht es bekanntlich so aus, dass Westbarthausen politisch zu Borgholzhausen, kirchlich zu Bockhorst und telefonisch zu Dissen gehört.

Artikel vom 23.01.2007