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»Wir zweifeln nie daran, dass wir es schaffen«

Die sechsjährige Karina aus Herford leidet an einer seltenen Enzymkrankheit - ihre Eltern bleiben optimistisch

Von Alice Koch
Herford (WB). Manchmal ist es einfach nur ein Lächeln, das Mut macht, das Kraft gibt. Die Kraft, zu hoffen, durchzuhalten, weiter zu kämpfen. »Wenn man ein Kind hat, dann gibt man nicht auf«, sagt Detlef Krüger, der Vater der schwerkranken Karina aus Herford.

Bis sie vier Jahre alt war, war die heute Sechsjährige ein ganz normales, lebenslustiges und aufgewecktes Mädchen. Dann begannen ihre physischen und Intellektuellen Fähigkeiten immer mehr nachzulassen. »Karina war oft abwesend und hatte immer mehr Probleme, ihre Bewegungen zu kontrollieren«, sagt ihre Mutter, Stefanie Berkemann.
In den nun folgenden Wochen schloss sich eine Odyssee durch verschiedene Kliniken und zu verschiedenen Ärzten an, bis die Eltern von den Spezialisten am 13. Juli 2005 die eindeutige Diagnose erhielten: Karina leidet an der sehr seltenen Krankheit MLD (Metachromatische Leukodystrophie), an der deutschlandweit nur 100 Kinder erkrankt sind.
Ihre einzige Chance, um die Krankheit zu stoppen: eine Knochenmarktransplantation. Nach wochenlangem Bangen und Hoffen kam für die Eltern die erlösende Nachricht: Ein 26-Jähriger wurde als »genetischer Zwilling« gefunden. Und so wurde dem kleinen Mädchen im Oktober 2006 in der Charité, Europas größtem Universitätsklinikum in Berlin, erfolgreich Knochenmark des Spenders transplantiert. »Wir konnten wieder Hoffnung schöpfen«, erinnert sich Karina Vater: »Doch wir wussten auch, dass die bevorstehende Zeit für Karina und uns nicht einfach werden wird.«
Damit der Körper die Spenderzellen nicht abstößt, musste das Immunsystem des kleinen Mädchens durch eine Chemotherapie geschwächt werden. Ein großes Problem war, dass Karinas Gewebe die fremden Zellen zu schnell aufgenommen hatte: Sie griffen ihren Körper an. Nach elf schmerzhaften Wochen waren 100 Prozent der Spenderzellen übertragen. Als das Schlimmste überstanden schien, folgten verschiedenen Erkrankungen. Eine Blasenentzündung und Darmblutungen erschwerten die Genesung der kleinen Patientin erheblich.
Nach mehr als 200 Tagen im Krankenhaus wurde das tapfere Mädchen als »stabil« nach Hause entlassen. »Dort hingen die ganzen Bilder, die Karina vor dem Ausbruch ihrer Krankheit gemalt hat«, erinnert sich Stefanie Berkemann, der man anmerkt, wie sehr sie leidet, wenn sie über ihre Tochter spricht. Denn es ist ungewiss, ob die Sechsjährige je wieder so malen können wird. Die Ärzte können nichts Genaues über den weiteren Verlauf der Krankheit sagen.
Karina kann sich nicht bewegen, nicht sprechen, nicht selber essen und kaum schlucken. Die Nahrung bekommt das kleine Mädchen über eine Magensonde. Dennoch schöpfen die Eltern Hoffnung aus den vielen kleinen Fortschritten, die ihre Tochter macht. »Sie nimmt ihre Umgebung nun schon viel bewusster wahr und immer öfter gelingt es ihr, Menschen oder Gegenstände mit den Augen zu fixieren», sagt Stefanie Berkemann. Auch dass Karina den Heilpädagogischen Kindergarten »Lummerland« in Lippinghausen besuchen kann, ermutigt die Eltern. Denn dort gibt es neben Logopädie-Training und Gymnastik auch die Möglichkeit einer Reittherapie.
Doch auf die minimalen Fortschritte folgte ein erneuter Rückschlag. Unter starken Schmerzen wurde das kleine Mädchen am 11. Dezember vergangenen Jahres wieder in die Berliner Charité eigeliefert: Ein Stück des Darms musste entfernt werden, so dass Karina nun schon das zweite Weihnachten in Folge im Krankenhaus verbringen musste - mit Mama Stefanie, die natürlich nicht von ihrer Seite weicht. Papa Detlef reist so oft wie möglich mit dem Zug nach Berlin.
Gerne wurden Karinas Eltern noch mehr für sie tun: eine Vibrationswellen- und eine Delfintherapie ermöglichen und einen Sitzsack für die richtige Lagerung anschaffen. Doch leider sind solche Dinge sehr teuer und die Eltern müssen für einen Großteil der Therapiekosten selber aufkommen. Eine belastende Situation für Karinas Eltern. »Wenn zu den täglichen Sorgen um unsere Tochter auch noch finanzielle Nöte kommen, ist das schon sehr hart.« Dennoch sind Stefanie Berkemann und Detlef Krüger optimistisch: »Wir zweifeln nie daran, dass wir es schaffen. Karina gibt soviel zurück, wenn sie ganz intensiv den Blick erwidert und wenn sie lächelt . . .«

Artikel vom 27.01.2007