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Das Herz von Hesselteich wird 50 Jahre

Mit Einsatz und Spenden: Paul-Gerhardt-Kapelle vor einem halben Jahrhundert errichtet

Versmold-Hesselteich (igs). Hesselteich ohne die Paul-Gerhardt-Kapelle? Das mag sich niemand mehr vorstellen. Im Mai jährt sich der Tag, seit dem die Hesselteicher in einem eigenen Haus ihre Gottesdienste feiern können, zum 50. Mal. Ein Ereignis, das in Hesselteich Êmit der Unterstützung vieler gefeiert werden soll. Auf das Engagement der Hesselteicher konnte die Evangelische Kirchengemeinde schon beim Bau setzen.
Ohne die Spendenfreudigkeit und die Tatkraft der Hesselteicher würde heute vielleicht kein bronzenes Zwillings-Geläut zum Gottesdienst rufen. Doch die Hesselteicher wussten Mitte der 50er Jahre, was die Stunde geschlagen hatte: Um den 75 000 Mark teuren Bau der Kapelle zu finanzieren, öffneten alle ihr Portemonnaie, gaben insgesamt 16 000 Mark für »ihre« Kapelle. »Das war damals eine Menge Geld«, sagt der Hesselteicher Presbyter Ernst Zschaeck, der gerade an einer Chronik über die Kapelle schreibt. »Es gab kaum ein Haus, das nicht sein Scherflein dazu beigetragen hat.« Auch die Katholiken spendeten. Das Angebot, selbst Gottesdienste dort zu feiern, haben sie allerdings bis heute nicht genutzt.
Der Wunsch, eine eigene Kapelle zu bauen, ist aus heutiger Sicht mehr als nachvollziehbar: Zu Fuß, per Rad, mit Pferd und Wagen machten sich die Hesselteicher früher auf, um ihre Verstorbenen in Versmold zu beerdigen oder um zum sonntäglichen Gottesdienst in die Petri-Kirche zu kommen. Ein mühseliger Kirchgang. »Die Leute blieben dann aus«, weiß Ernst Zschaeck. Nachdem die Hesselteicher kurz zuvor bereits ihren eigenen Friedhof erhalten hatten, war auch die Zeit für eine eigene Kapelle gekommen. »Es gab auch einige Gottesdienste auf Bauernhaus-Deelen oder im Klassenraum der Volksschule«, erinnert sich der Presbyter. »Zu Ostern und Totensonntag wurden die Gottesdienste auf dem Friedhof gefeiert.« Das weiß auch Presbyterin Ursula Bohnemeier noch gut: »Immer nachmittags um drei Uhr. Pech war nur, wenn das Wetter schlecht war.«
An Regenschirm und Wetterhexen beim Segen müssen die Hesselteicher seit dem 26. Mai 1957 nicht mehr denken: Pfarrer Max Rietbrock feierte mit seiner Gemeinde die Einweihung der Kapelle, bei deren Bau die Hesselteicher viele hundert Stunden unentgeltlichen Einsatz gezeigt hatten. »Wir haben uns ein Stück Heimat geschaffen. Jeder, der nur ein wenig Zeit hatte, packte mit an«, erinnert sich Zschaeck. Nur einen Steinwurf vom »Kirchpatt« nach Versmold entfernt hatten die Hesselteicher mit Architekt Viktor Quennet ein Gebäude errichtet, in dem sie nicht nur Gottesdienste feiern konnten, sondern in dessen Versammlungsraum sich auch heute noch die Frauenhilfe, der Posaunenchor und die »Mündige Gemeinde« trifft. »Wir haben eine sehr schöne Akustik hier«, weiß Zschaeck auch von der klangvollen Atmosphäre des Raums.
Die erste Taufe wurde gleichzeitig mit der Einweihung gefeiert: Harald Schwarz hieß der erste Täufling. Kurz darauf gab sich als erstes das Brautpaar Haberkamp das Ja-Wort in der hellen Kapelle mit ihren vielen Buntglasfenstern. 330 Taufen und mehr als 400 Beerdigungen hat die Kapelle bereits erlebt. »Die Zahl der Brautpaare muss ich noch recherchieren«, sagt Zschaeck. Er möchte zum großen Festtag am 20. Mai eine Chronik vorstellen, die die Entstehungsgeschichte der Kapelle auf den Punkt bringt. Trotz aller Sparzwänge: »Dass die Kapelle dicht gemacht wird, kann ich mir nicht vorstellen«, sagt Kirchmeister Hartmut Fromme.
Die Kapelle ist übrigens nicht das einzige Geburtstagskind: Auch Namensstifter Paul Gerhardt könnte in diesem Jahr seinen 400. Geburtstag feiern. Genau weiß es Hartmut Fromme nicht: Aber möglicherweise war der 350. Geburtstag 1957 ein Grund dafür, der Kapelle den Namen des Dichters zu geben, der so bekannte Lieder wie »Geh aus mein Herz« und »Ich steh an deiner Krippen hier« geschrieben hat.

Artikel vom 19.01.2007