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Nur im Notfall mit Polizeischutz

Vorrangige Aufgabe des Jugendamtes: Beratung und Hilfe für Familien

Von Klaus-Peter Schillig
Halle (WB). Es sind Fälle wie die des kleinen Kevin in Bremen, die bundesweit für Schlagzeilen sorgen. Wenn die Eltern überfordert sind, wenn Alkohol im Spiel ist, entlädt sich Gewalt oft auch gegen Kinder. Nicht nur damit aber muss sich das Jugendamt im Altkreis Halle beschäftigen.

»Jugend, Familie und Sozialer Dienst« heißt die Abteilung beim Kreis Gütersloh, »Regionalstelle Nord« die Dienststelle in Halle, die für die vier Orte Halle, Steinhagen, Borgholzhausen und Werther zuständig ist. Irmhild Schmidt ist die Chefin - und sie versteht sich und ihre Kollegen durchaus nicht nur als die strenge Behörde, sondern vorrangig als Beratungsstelle und »Hilfsorganisation«.
Sind Eltern mit der Versorgung und Erziehung eines Kindes überfordert, funktionieren die Mechanismen in der Regel. Nachbarn oder Bekannte geben entsprechende Hinweise, im Kindergarten wird nachgefragt, in der Schule werden Auffälligkeiten ebenfalls registriert - und bei Bedarf auch weitergemeldet. Irmhild Schmidt und ihre Kolleginnen suchen dann zunächst das Gespräch mit den Eltern, in der Regel werde dabei auch eine einvernehmliche Lösung gefunden, könne konkrete Hilfe angeboten werden. »Es ist nicht die Regel, Kinder aus einer Familie zu nehmen«, bekräftigt die Leiterin der Regionalstelle.
Manchmal aber lässt es sich nicht vermeiden. Und auch dann geschieht es meist im Einvernehmen mit den Eltern, dass kleine Kinder in Pflegefamilien oder sogar in einer stationären Einrichtung untergebracht werden müssen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jugendamtes kenne ihre Klientel in der Regel, wissen um die Familienverhältnisse. »Wenn es heikel werden könnte bei einem Hausbesuch, gehen wir zu zweit«, berichtet Irmhild Schmidt, »denn vier Augen sehen mehr als zwei.« Wenn ein Vater oder eine Mutter versuchen könnte, mit Gewalt die Wegnahme ihres Kindes zu verhindern, wird schon mal die Unterstützung der Polizei in Anspruch genommen.
Wenn Vereinbarungen, die mit den Eltern getroffen worden sind, nicht eingehalten werden, greift die Behörde aber dennoch durch: Vor Weihnachten wurde ein Säugling aus einer Familie geholt, weil dessen Versorgung offensichtlich gefährdet schien. In einem anderen Fall wurde schon während der Schwangerschaft beantragt, das Kind sofort nach der Geburt in eine Pflegefamilie zu geben.
Kommt ein Kind bis zwölf Jahre in eine stationäre Gruppe oder Pflegefamilie - das war 2006 30 mal der Fall - muss das nicht das Ende der Beziehung zu den leiblichen Eltern bedeuten. »Die müssen allerdings loslassen können«, weiß die Expertin vom Jugendamt um die Schwierigkeiten. In der Regel soll der Kontakt durch regelmäßiges Besuchsrecht aber erhalten bleiben.
Übrigens kümmert sich die Regionalstelle nicht nur um kleine Kinder. Auch Jugendliche, die »Stress« zu Hause haben, und deren Familien finden hier Rat, werden auf Antrag beispielsweise an die mobile Erziehungshilfe der Diakonie vermittelt. Auch hier kann es durchaus zu »Inobhutnahmen« kommen (58 Fälle in 2006). Bei Scheidungsfällen, von denen Kinder betroffen sind, wird die Regionalstelle automatisch beteiligt.

Artikel vom 19.01.2007