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»Glücklicher wäre es nicht gelaufen«

WESTFALEN-BLATT-Mitarbeiter Ortwin Kuhn holt den Humor ins Erzählcafé

Brackwede (oh). »Ich habe manchmal überlegt, ob mein Lebensweg glücklicher hätte sein können, wenn das Eine oder Andere anders verlaufen wäre«, sagt Ortwin Kuhn. »Aber«, fügte der fast 80-Jährige hinzu, »auch wenn alle Korrekturen durchgeführt worden wären, die ich eventuell hätte machen können - glücklicher wäre es dennoch nicht gelaufen.«

Mit dieser durch und durch positiven Einstellung überraschte der frühere WESTFALEN-BLATT-Mitarbeiter der Redaktion in Versmold jetzt im Erzählcafé. Kuhn gelang an diesem Nachmittag etwas, was nur wenige können: Er unterhielt die Besucher mit seinen Erzählungen, Geschichten und Gedichten nachdenklich und vergnüglich zugleich. Und das, obwohl die Zeiten, in denen Kuhn aufwuchs und von denen er berichtete, objektiv betrachtet alles andere als einfach waren.
Humorvoll und mit ausgeprägtem Sinn für Pointen ließ der 79-Jährige die Erinnerungen an seine Kindheit mit drei jüngeren Geschwistern in Bielefeld - »jedesmal wenn bei uns wieder ein Kind dazu kam, zogen wir um in eine größere Wohnung« - und an unbeschwerte Sommermonate im Forsthaus Lakenhaus der Großeltern im Solling lebendig werden.
Diese Monate, in denen er mit der Natur und den Tieren eng verbunden war, wenn er allein durch den Wald streifte oder mit dem Förster, seinem Großvater, auf die Pirsch ging, prägten Ortwin Kuhn nachhaltig als Mensch - und später auch beim Schreiben. Aus dem damals Erlebten schöpft der 79-Jährige seine Geschichten.
Beispielsweise die mit dem Ziegenböckchen. Dieses war nach einer Spielstunde mit dem kleinen Ortwin aus seinem Stall ausbüxt, ins Häuschen mit dem Herzen in der Tür gerannt und dort in die tiefe Kloschüssel gesprungen. Das Böckchen wurde herausgezogen, und sein »Retter« stank natürlich erbärmlich. Aber das Schlimmste war, das Tier flutschte ihm aus den Händen und rannte einen hohen Regierungsbeamten um. Der war gerade am Forsthaus eingetroffen, um mit dem Großvater auf Jagd zu gehen. »Es war ein ziemlich besch . . . Empfang für den Besuch«, erzählte Ortwin Kuhn unter dem Gelächter der Gäste.
Wenn es nach seinem Vater gegangen wäre, dann wäre Ortwin Kuhn Architekt geworden. Zunächst ging er auch in diese Richtung, begann eine Maurerlehre in Versmold. »Doch dann begegnete mir ein Mädchen - das fegte alle väterlichen Pläne über den Haufen«, erinnert er sich amüsiert. Es wurde geheiratet, zwei Söhne wurden geboren, und Kuhn arbeitete weiter auf dem Bau. Erst 1960 sattelte er um und machte eine kaufmännische Ausbildung. Er arbeitete in einer Fleischfabrik, später in einer Werbeagentur und dann - 16 Jahre lang - als freier Mitarbeiter beim WESTFALEN-BLATT. »Dort habe ich über alles geschrieben - von der Gemeinderatssitzung, den Kaninchenzuchtvereinen und Pferderennen bis zu Theaterkritiken.«

Artikel vom 17.01.2007