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Milde Temperatur kein Honigschlecken

Verfrühter Frühling kann Existenz ganzer Bienenvölker bedrohen - Heimische Imker gerüstet

Von Marco Purkhart
Versmold (WB). Unruhig blickt Bruno Grüntkemeier in des Nachbars Garten. Dort steht ein Haselnussbaum, der bereits seit Wochen seine Blüten trägt und dem Oesterweger Imker Unbehagen bereitet. »Der blüht eigentlich erst im Februar. Aber die Natur spielt im Moment verrückt«, fürchtet der 53-Jährige das milde Klima. Denn für seine Bienen könnte es eine Existenzbedrohung darstellen.

Aus dem Bienenhaus dringt ein unterschwelliges Surren und Brummen. Grüntkemeier sorgt für Aufklärung, indem er den Deckel eines seiner 25 Bienenstöcke öffnet: »Zu dieser Jahreszeit ist es normalerweise eine Todsünde, die Tiere auf diese Art zu stören. Denn eigentlich stecken sie bis März in der wichtigen Winterruhe und bilden dicht an dicht eine Wintertraube, um sich gegenseitig zu wärmen.«
Von Ruhe kann dieser Tage indes keine Rede sein: Was sich zwischen den Waben abspielt, kommt eher einer wilden Tummelei gleich. Es sind die Sonnenstrahlen und die warmen Temperaturen, die die Bienen auf Hochtouren bringen. »Die Tiere spüren, dass zehn Grad Celsius herrschen und beginnen plötzlich, draußen die ersten Blüten aufzusuchen«, birgt der verfrühte Frühlingsausflug laut Bruno Grüntkemeier für die Insekten nicht nur die Gefahr, bei Zwischenstopps in schattigen Gebieten am Kältetod zu sterben. Solch bedauerliche Einzelfälle könne ein Imker angesichts der Population von derzeit 8000 bis 10 000 Beutebewohnern pro Volk noch verschmerzen.
Wesentlich brisanter sei, dass die Ausreißer bereits ersten Nektar als Nahrung in ihre Behausung importieren. »Das ist für die Königin nämlich ein Signal, mit dem Eierlegen zu beginnen. Bei meinen Tieren ist das bereits geschehen«, wertet Grüntkemeier das an den Deckeln der Stöcke aufgetretene Kondenswasser als klares Indiz: »Es handelt sich dabei um Schweiß, der durch die starke Körperreibung beim Wärmen der Eier entsteht.«
Und hier liege die potenzielle Problematik für jeden Imker: Die Bienen verlassen die mit Nahrung angereicherte Stelle, an der sie sich in der Wintertraube selbst gewärmt haben, in Richtung Brutplatz, wo sie mit aller Macht ihre Nachkömmlinge schützen. »Aufgrund der erhöhten Aktivitäten zehren sie natürlich auch vom Futter, das sie eigentlich für den ÝechtenÜ Frühling gehortet haben«, sagt Grüntkemeier. Sollte eine längere Kältephase eintreten, in der aufgrund der eisigen Umgebung keine weitere Nahrung beschafft werden kann, hätte das fatale Folgen: »Die Bienen könnten schlichtweg verhungern, während sie ihre Brut beschützen.«
Von einer drohenden Imkerei-Krise mit bundesweiter Honigknappheit ausgerechnet im 100. Jahr des Deutschen Imkerbundes spricht Grüntkemeier allerdings nicht. Der als Vorsitzender des heimischen Ravensberger Imkervereins fungierende Oesterweger sieht auch die Versmolder Szene bestens aufgestellt: »Wir könnten Verluste durchaus untereinander ausgleichen. Bei 20 aktiven Züchtern mit insgesamt 233 Völkern in unserem Club gibt es keine Bestandsgefahr.« Dass der Verein bestens organisiert ist, bewies er zuletzt im Kampf gegen die aggressive Varroamilbe. Der ganze Bienenstaaten auslöschende Parasit hat hierzulande keine Chance mehr, seitdem die Versmolder Imker flächendeckende und zeitgleiche Präventionsaktionen unter Einsatz von Ameisensäure koordinieren. »Dem Wetter können allerdings auch wir nicht vorbeugen. Hoffen wir das Beste«, setzt Bruno Grüntkemeier darauf, dass der Frost höchstens einen kurzen Abstecher nach Versmold macht.

Artikel vom 18.01.2007