17.01.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Das Herz des alten Dickschädels berührt

Publikum bedankt sich bei Hardy Krüger jun. und Alexander May mit »Standing Ovations«

Versmold (GG). Wenn der Applaus das »Brot für die Künstler« ist, dann haben die Versmolder Theaterbesucher am Montag die beiden Schauspieler Hardy Krüger jun. und Alexander May mehr als gut versorgt. Zu Recht, dennÊ Hardy Krüger jun. und Alexander May brillierten mit ihrer Darbietung im Stück »Besuch bei Mr. Green«.

Die Ersatzvorstellung für das ursprünglich geplante Stück »Minna von Barnhelm« war ein emotional bewegendes Theaterstück zwischen sanfter Annäherung, sturen Vorurteilen, verborgenen Tabus, gefühlvollen Melodramen und kleinen humorigen Einlagen, die die Inszenierung allerdings stets zum richtigen Zeitpunkt bereicherten.
Es ging um Diskriminierung von Homosexuellen, Gegensätzlichkeiten im Generationenkonflikt und Juden früher und heute. Vergleiche, Ansichten, Meinungen, die allerdings hartnäckig von Ross Gardiner (Hardy Krüger jun.) und Mr. Green (Alexander May), je nach persönlicher Sichtweise, anders in der Art der »Verfolgung« ausgelegt wurden.
Dabei konnten die dargestellten Charaktere unterschiedlicher nicht sein: Ross Gardiner als höchst attraktiver Jung-Manager beim Kreditkartenunternehmen American-Express (das Mr. Green für einen Eisenbahnbetrieb hält), gebildet, gefühlvoll, sportlich und Harvard-Absolvent -Êer ist Jude und schwul. Mr. Green, ebenfalls Jude, ist ein verbitterter, störrischer, dickschädeliger, in Klischees denkender, alter Mann, der den Tod seiner Frau nicht überwunden hat und der am liebsten allein in seiner völlig verdreckten Wohnung lebt.
Bis eines Tages der junge Ross Gardiner bei ihm auftaucht. Gardiner wurde von einem New Yorker Richter dazu verurteilt, sechs Monate Sozialdienst bei seinem »Opfer«, Mr. Green, den er versehentlich mit seinem Auto touchiert hat, abzuleisten. Gardiner soll den einsamen Alten versorgen, was dieser zu Beginn lautstark ablehnte. Doch durch Hartnäckigkeit, koscheres Essen und eine gewisse Entschlossenheit gelingt es Ross Gardiner, langsam aber sicher einen Zugang zu dem misstrauischen Mr. Green zu bekommen. In Gesprächen und Bekenntnissen öffnen sich dabei beide Männer, wenngleich Ross auch durch seine Homosexualität auf komplette Intoleranz bei Mr. Green stößt, der immer dann,Êwenn er etwas nicht hören will, komischerweise müde wird. Dennoch schafft es Ross, den Mr. Green in einem Anflug von Sentimentalität einen »vom Himmel geschickten Engel« nennt, die unabgeschlossene Trauerarbeit des Witwers zu vollenden und sogar eine Aussöhnung mit der vor Jahrzehnten verstoßenen Tochter Rachel herbeizuführen. Fazit der Geschichte: Verständigung und gegenseitige Akzeptanz sind möglich, auch wenn diese manchmal mit schmerzlichen LernprozessenÊ verbunden sind.Ê
Unter tosendem Beifall erhoben sich die Zuschauer am Ende es Stücks von den Sitzplätzen, um Alexander May und Hardy Krüger jun. die verdiente Anerkennung für die schauspielerische Leistung und ein hochkarätiges Theatererlebnis zu zollen. Dem Duo war es gelungen, ernste Themen wie den jüdischen Glauben und Homosexualität aus der »Schwerlastigkeit« zu führen, ohne dabei den Ernst zu verlieren.

Artikel vom 17.01.2007