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Stoiber deutet Verzicht an

Empörung nach Affären-Bericht über Horst Seehofer - Schlammschlacht

Wildbad Kreuth (dpa). Nach wochenlangem Kampf um Partei- und Regierungsämter hat der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) erstmals seinen Rückzug angedeutet.
Im Vergleich zu Gesamtdeutschland steht Bayern sehr gut da.

Bei der Landtagswahl 2008 wolle er wieder als Spitzenkandidat antreten, müsse dies aber nicht, sagte der CSU-Vorsitzende gestern Abend nach Teilnehmerangaben bei einem Krisengespräch mit dem erweiterten Vorstand der Landtagsfraktion in Kreuth.
Zuvor hatte Stoiber den CSU-Vize Horst Seehofer als erste Wahl für höchste Ämter bezeichnet. Mit einem Bericht der »Bild«-Zeitung über eine angebliche Liebesaffäre Seehofers war der Machtkampf in der Regierungspartei am Montag zur Schlammschlacht eskaliert.
»Ich möchte für meine Ziele kämpfen, auch wieder antreten, muss es aber nicht«, sagte Stoiber den Teilnehmerangaben zufolge wörtlich in Kreuth. Er wolle auf die Fraktion zugehen, hieß es am Abend weiter. Bei dem fünfstündigen Gespräch wurde Stoiber mit ausführlicher Kritik der CSU-Landtagsabgeordneten konfrontiert. Über die Nominierung solle ein Parteitag im Herbst entscheiden, sagte Stoiber. Wenn nicht mehr er antrete, dann solle der Parteitag geschlossen einen neuen Kandidaten küren.
Führende CSU-Politiker verurteilten scharf den »Bild«-Bericht mit Informationen über eine angebliche außereheliche Affäre Seehofers, der als Favorit für eine mögliche Nachfolge Stoibers im Amt des CSU-Chefs gilt. Das Blatt berief sich auf Getuschel von »Parteifreunden«. Stoiber selbst bekannte sich demonstrativ zu Seehofer: »Er ist und bleibt für höchste Ämter erste Wahl.« Seehofer »hat mein uneingeschränktes Vertrauen und das Vertrauen der CSU«, ließ der Parteichef über einen Parteisprecher mitteilen. »Horst Seehofer ist ein politisches Alpha-Tier unserer Partei.« Er finde es »unanständig«, was in Medien gestreut werde.
Die Bayern-SPD will notfalls per Volksentscheid Neuwahlen erzwingen, falls Stoiber nicht freiwillig geht. Auch nach Krisengesprächen des Ministerpräsidenten mit CSU-Fraktionschef Joachim Herrmann und Landtagspräsident Alois Glück in der Staatskanzlei hatte sich kein Weg aus der Führungskrise abgezeichnet. Abgeordnete zeigten sich skeptisch, ob die Fraktion heute die von Stoiber gewünschte Solidaritätserklärung abgeben wird. Angeblich sei nur noch eine Minderheit für Stoiber, sagte ein Vorstandsmitglied.
Die Debatte um Stoibers Zukunft wurde überschattet von den Gerüchten über Seehofers Privatleben. CSU-Vize Barbara Stamm warnte vor einer Schlammschlacht. »Hier wurde eine Grenze überschritten. Jetzt sind wir wirklich im untersten Keller gelandet«, sagte sie. SPD-Landtagsfraktionschef Franz Maget unterstellte eine gezielte Kampagne gegen Seehofer. Er sah Parallelen zu dem Machtkampf zwischen Stoiber und Theo Waigel 1993: »Da wurde eine ähnliche Methode angewendet.«

Artikel vom 16.01.2007