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Andersson übernimmt
wieder das Kommando

Handball-Trainer übersteht Tumor-Operation am Kopf

Flensburg (WB/dpa/o.k.). Für große Gefühle hätte Kent-Harry Andersson bei der Rückkehr auf seinen angestammten Platz allen Grund gehabt. Doch den Trainer der SG Flensburg-Handewitt ließ sein Comeback nach einer Tumor-Operation am Innenohr kalt. »Es war ein ganz normales Gefühl«, sagt der Schwede.

Im Heimspiel am 27. Dezember vergangenen Jahres gegen den TV Großwallstadt (die SG siegte 30:26) hatte Kent-Harry Andersson erstmals nach viereinhalb Monaten wieder das Kommando auf der Bank des Handball-Vizemeisters hatte. Dabei war seine Zukunft als Trainer unmittelbar nach der Operation noch ungewiss. »In den ersten zwei Wochen habe ich gezweifelt, ob ich wirklich zurückkommen kann«, sagt der 57-Jährige.
Andersson, 2003 wechselte er von Nordhorn nach Flensburg, gehört zu den stillen Vertreter seines Fachs, der sich nie in den Vordergrund stellt. So war es ihm auch recht, dass in der Campushalle kein Spektakel zu seiner Rückkehr inszeniert wurde. Das Aufwärmen beobachtete er wie gewohnt vom Spielfeldrand, anschließend Mannschaftsbesprechung - alles ganz normal. »Ich war ja auch seit Monaten im Hintergrund dabei«, sagt er und berichtet von Telefonaten mit Interimscoach Viggo Sigurdsson und Manager Thorsten Storm, Diskussionen mit Kreisläufer Johnny Jensen, der auch sein Nachbar ist, sowie jeder Menge Handballspiele, die er sich auf Video angeschaut hatte.
In wenigen Zeilen hatte der norddeutsche Club Mitte Juli mitgeteilt, dass Andersson sich einem »Routineeingriff« unterziehen müsse. Dahinter verbarg sich für den Coach aber eine weit bedrohlichere Situation. Nachdem er schon länger über Schwindel und nachlassendes Hörvermögen geklagt hatte, wurde ein golfballgroßer gutartiger Tumor am Innenohr festgestellt. Der Eingriff Mitte August in Hannover verlief problemlos, doch die Woche danach empfand er als die schlimmste seines Lebens: »Ich konnte nicht gehen, nichts essen. Sechs Kilo habe ich in der Zeit abgenommen.«
Inzwischen sei er »physisch und mental wieder voll da«, sagt Andersson. Zwar musste er für eine gewisse Zeit eine Augenklappe tragen, weil er die Mimik der linken Gesichtshälfte noch nicht kontrollieren konnte; ein Hindernis bei der Arbeit war das aber nicht. Schritt für Schritt hat er sich zurückgearbeitet: Im Oktober vergangenen Jahres kehrte er zu einem ersten - emotionalen - Besuch in die Campushalle zurück, am 20. Dezember gegen Wilhelmshaven saß Andersson schon hinter der Bank, drei Tage später im Nordderby gegen den THW Kiel nahm er neben Sigurdsson Platz.
Flensburg verlor zwar 34:36, doch Andersson konnte dennoch zufrieden sein. »Das Spiel gegen Kiel war mein Ziel, und das habe ich geschafft«, sagt er. Am Ende des Jahres 2006 stand die SG punktgleich hinter Spitzenreiter THW. Am Ende der Saison aber will Kent-Harry Andersson, der mit Flensburg 2004 den Titel holte und zwei Mal den DHB-Pokal gewann, unbedingt vor dem schleswig-holsteinischen Dauerrivalen stehen. »Viele Punkte dürfen wir nicht mehr abgeben«, sagt er. Über sich und seine überstandene Erkrankung will er deshalb jetzt auch keine Worte mehr verlieren.

Artikel vom 27.01.2007