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Wort zum Sonntag

Heute von Pfarrer Ulrich Melzer

Ulrich Melzer ist Pfarrer in der evangelischen Kirchengemeinde Steinhagen.

Vielleicht kennen Sie den Fernsehkriminalisten Monk. Er verkörpert einen Menschen mit dem Hang zu Akribie, Ordnung und perfekter Sauberkeit. Sein ganzes Benehmen ist zwanghaft. Schon ein Staubkorn auf dem Jackett seines Gegenüber macht ihn nervös, von Unordnung ganz zu schweigen. Dadurch wirkt er letztlich untauglich für das Leben.
Eigenschaften, die für sich genommen gut sind, werden durch Übertreibung schlecht. Perfektionismus ist schädlich. Aber ist nicht gerade der Wunsch nach dem perfekten Leben Antrieb für viele Menschen? So glauben viele daran, ihr Leben von Jahr zu Jahr steigern zu können: »Werde schöner, schlanker, reicher und damit zugleich auch glücklicher« lautet ein Vorsatz zum neuen Jahr. Doch wer ist schon so, wie er meint, sein zu müssen! Die falsche Vorstellung vom perfekten Leben bindet ganz viel Energie, anstatt Kraft zu geben. Längst ist erwiesen: Fehler und Macken sind zu akzeptieren, übertriebene Genauigkeit macht krank und richtet sogar wirtschaftlichen Schaden an. Darum ist mit falschen Vorsätzen aufzuräumen: »Wenn ich nicht alles vollkommen richtig mache, dann bin ich ein Versager.«
Dagegen: Meine Fehler sind auch liebenswert oder machen mich interessant. Der Nachrichtensprecher, der sich verspricht, der Nachbar, der von einer Panne erzählt, der Freund, der einen Irrtum eingesteht, aber auch ein Mensch, der andere um Hilfe bitten kann - alles das sind liebenswerte Mitbürger, weil sie uns besonders menschlich erscheinen.
»Alles ist machbar, Perfektion ist erreichbar.« Da wird uns weis gemacht, wir könnten in sieben Jahren zum Millionär werden, in fünf Wochen zehn Kilo abnehmen oder Ähnliches. Aber Perfektion ist selten und flüchtig und eine Ausnahme: Selbst in der Weltraumfahrt sind alle Systeme mehrfach vorhanden.
»Du bist, was du erreichst«, so lautet schließlich ein dritter Mythos. In Wahrheit aber wissen wir: wir sind mehr als unsere Tätigkeiten; Arbeitssucht gibt es in vielen versteckten Formen. Im Grunde ist die Frage nach der Perfektion eine Frage nach unserem Menschenbild. Dürfen Menschen Fehler haben oder Fehler machen?
Die Antwort der Bibel lautet eindeutig: Ja! Bitte nicht falsch verstehen: Unsere Fehler oder gerade unsere Boshaftigkeiten werden nicht gut geheißen. Perfektionswahn entsteht jedoch gerade daraus, dass wir durch unsere Taten gut aussehen wollen - vor Gott und Menschen. Gott aber liebt uns um Jesu Willen: Er gibt uns Wert und Würde weit über das hinaus, was wir bieten könnten. Als der Apostel Paulus das einmal einer Gemeinde erklären muss, schrieb er: »Wir werden ohne Verdienst gerecht aus Gottes Gnade« (Röm 3,24). Mit anderen Worten: Was ich vor Gott bin, kann ich weder erarbeiten noch verdienen: Es ist kostenlos. Jesus zeigt uns diese Liebe Gottes. Und er hält sie durch gegen alle unsere guten Vorsätze, gegen jeden Perfektionismus - so will er uns gewinnen, ihm unser ganzes Leben anzuvertrauen.

Artikel vom 13.01.2007