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Spenden sollen Kirche retten

Nach Amtsübernahme: Interview mit Christoph Grün zur Lage der Gemeinde

Versmold (WB). Finanzprobleme, eine sanierungsbedürftige Kirche und eine sich verändernde Kindergartenlandschaft -Êdie Aufgaben, vor denen die Versmolder Kirchengemeinde steht, sind vielfältig und von elementarer Bedeutung. An der Spitze des Kirchenvorstands wird es Christoph Grün an Arbeit nicht mangeln. Der Pfarrer wurde am Mittwoch vom Presbyterium turnusmäßig für ein Jahr zum Vorsitzenden gewählt. Über die Herausforderungen und Perspektiven sprach VERSMOLDER ANZEIGER-Redakteur Oliver Horst mit Christoph Grün.

Mit welchen Zielen gehen Sie Ihre Aufgabe an?Christoph Grün: »Mein Ziel ist es, die Arbeit möglichst gut zu machen. Es geht darum, mit dem sehr engagierten Presbyterium möglichst viel zu erreichen. Und für dieses Jahr haben wir uns gemeinsam ein großes Ziel vorgenommen: Wir wollen die Sanierung der Petri-Kirche endgültig angehen, werden dazu bis zum Sommer eine professionelle Spenden- und Sponsoringaktion auf die Beine stellen.«
Sie sprechen die seit Jahren anstehende Sanierung an. Mit welchen Kosten rechnen Sie und welche Veränderungen soll es im Zuge der Maßnahme geben?Christoph Grün: »Nach den Erkenntnissen eines Gutachtens und internen Beratungen wird die Sanierung und Renovierung im Außen- und Innenbereich etwa 1,2 Millionen Euro kosten. Neben Eigenmitteln benötigen wir einen großen Teil an Spenden. Wir werden mit dem Start der Aktion auch eine konkrete Zielmarke nennen. Wir wollen die Petri-Kirche nicht nur sanieren, sondern denken auch über konzeptionelle Änderungen nach. So gibt es Überlegungen, eine räumliche Möglichkeit für kleinere Gottesdienste zu schaffen. Und natürlich sollen die historischen Holzfiguren nach ihrer Restauration einen angemessenen Platz in der Kirche finden.«
Zuletzt rückten verstärkt die finanziellen Schwierigkeiten der Kirche in den Blickpunkt. Wie dramatisch ist die Lage für die Versmolder Gemeinde?Christoph Grün: »Die Lage ist so dramatisch, dass wir ohne die Übernahme der laufenden Kindergartenkosten durch die Stadt schon an der Wand stünden. Diese Unterstützung hat uns sehr geholfen und wir sind sehr dankbar dafür. Aber das nächste Loch ist schon absehbar, die Einnahmen sollen weiter zurückgehen. Das offenbar im vergangenen Jahr über den Prognosen liegende Kirchensteueraufkommen wird vor Ort wohl nicht spürbar werden. Die Landeskirche will zunächst Löcher bei sich stopfen.«
Zu einem anderen Thema mit finanzieller Komponente. Die Arbeit und Zukunft des Jugendzentrums Westside steht in der Diskussion. Die Stadt wünscht sich ein verändertes Angebot mit stärkerem Schwerpunkt auf älteren Jugendlichen und längeren Öffnungszeiten. Wie sind die Perspektiven?Christoph Grün: »Wir haben uns bewusst gegen eine Kündigung des gemeinsamen Vertrages entschieden, damit die offene Jugendarbeit nicht in der Luft hängt. Das Jugendzentrum hat sich teilweise auf Arbeitsbereiche mit Kindern konzentriert, aber auch eine gute Zusammenarbeit mit der Hauptschule gepflegt. Die Stadt hat offenbar ein Problem mit älteren Jugendlichen, die keinen Ort für sich finden. Es stellt sich die Frage, ob das Westside als Angebot ausreicht oder es eine aufsuchende Jugendarbeit geben muss. Wir wollen uns mit der Stadt, die sich künftig möglicherweise noch stärker an der Finanzierung beteiligt, zusammensetzen und ein Konzept suchen.«
Große Veränderungen zeichnen sich seit einiger Zeit in der Kindergartenlandschaft ab. Welche Entwicklungen und Konsequenzen erwarten Sie?Christoph Grün: »Das ist ein ganz wesentlicher Bereich der kirchlichen Arbeit. Kinder sind die Zukunft. Für uns ist es sehr wichtig, mit ihnen zu arbeiten und zu leben, was Glauben bedeutet. Wir vermitteln Grundwerte und soziale Beziehungskompetenzen und bereiten die Kinder auch ein Stück weit auf die Anforderungen des Lebens vor mit einem Menschenbild, das auf gegenseitige Hilfe und Respekt ausgerichtet ist. Und es gibt immer mehr individuellen Förderbedarf, dem die in der politischen Diskussion stehende Pro-Kopf-Finanzierung nicht gerecht würde.«
Ist die Schließung einzelner Gruppen oder ganzer Kindergärten zu befürchten?Christoph Grün: »Der Wandel ist enorm. Noch vor einigen Jahren war das Ziel, allen Vierjährigen einen Platz anbieten zu können. Jetzt nehmen wir immer mehr unter Dreijährige auf. Die aktuellen Strukturen gelten zumindest bis 2009 als angemessen. In den Jahren danach könnten wir vielleicht gezwungen sein, eine oder zwei Gruppen aufzugeben. Die Schließung ganzer Einrichtungen sehe ich nicht. Diese Frage spielt für uns auch aktuell eine Rolle. Wir suchen in diesem Jahr für zwei Kindergärten neue Leiterinnen, da Mitarbeiterinnen in den Ruhestand gehen.«
Wie wird die Kirchengemeinde im Jahr 2015 dastehen?Christoph Grün: »Ich hoffe, genauso lebendig und aktiv wie heute und weiter mit etwa 12 000 Gemeindegliedern. Vielleicht aber mit ein paar weniger Gebäuden und einer stärkeren Konzentration im geistlichen Leben auf die Petri-Kirche. Sie ist das Identifikationsobjekt der Gemeinde, der Stadt sowie wohl aller Versmolder Bürger. Die Petri-Kirche ist Heimatpunkt, Wahrzeichen und Symbol des gewachsenen Versmolds.«

Artikel vom 12.01.2007