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Europa übt scharfe Kritik an Öl-Sperre

Der Ölhahn zu, die Anzeige auf Null: Russland hat ohne Vorwarnung abgedreht.

Neue Debatte um Kernkraft

Berlin/Bielefeld (WB/rb). Berlin und Brüssel haben das Verhalten Russlands und Weißrusslands im Streit um die Sperrung einer zentralen Öl-Pipeline ungewöhnlich scharf kritisiert. Innenpolitisch kam es zum Streit um die Kernenergie.
Die Schließung der »Druschba«-Pipeline sei inakzeptabel, betonten Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso nach einer Sitzung von Bundeskabinett und Kommission in Berlin übereinstimmend. Moskau und Minsk werde deutlich gesagt, dass Konsultationen das Mindeste seien, was erwartet werde, wenn es zwischen Liefer- und Transitland Schwierigkeiten gebe, zeigte Merkel Moskau die kalte Schulter. Die Kanzlerin reist in der übernächsten Woche zu Gesprächen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nach Moskau.
Russland hatte Montag die Ölleitung »Druschba« durch Weißrussland geschlossen und die Versorgung von fünf Staaten beschnitten. Durch die Leitung fließt ein Fünftel des deutschen Bedarfs.
Der Pipeline-Streit entfachte die Debatte über den Atomausstieg neu. CSU-Chef Edmund Stoiber kündigte einen Vorstoß für längere Laufzeiten der Reaktoren an. Die Sozialdemokraten blieben dagegen bei ihrer Ablehnung: »Das Ausstiegsszenario gilt«, sagt SPD-Chef Kurt Beck. Atomkraft könne russisches Öl nicht ersetzen, da sie nur Strom erzeuge, sagte die SPD-Europaabgeordnete, Mechtild Rothe aus Bad Lippspringe. Merkels Mahnung, die Folgen der Abschaltung aller 17 Kernkraftwerke zu bedenken, sei verfehlt, sagte Rothe. Europa und mit ihr die Ratsvorsitzende Merkel müssten gegenüber Russland jetzt mit einer Stimme sprechen. Es müsse alles getan werden um Öl zu sparen durch Gebäudedämmung sowie Erdwärme, Holzpellets und Solarthermie.
»Die SPD wird zum Risiko für die Energiesicherung in Deutschland«, sagte dagegen die FDP-Bundestagsabgeordnete Gudrun Kopp. Sie sprach sich für erneuerbare Energien und eine Verlängerung der Laufzeiten von Kernkraftwerken aus. Merkel müsse den Worten jetzt Taten folgen lassen. Die Blockade sei nach dem Fall Ukraine vor genau einem Jahr schon der zweite Schuss vor den Bug deutscher Energiepolitik. Jetzt räche sich, dass es keinen nationalen Energieplan gäbe. Kopp: »Der Countdown läuft und unsere Ölreserven reichen 90 Tage. Wie ersetzen wir die Lieferausfälle?« Themen der Zeit: Hintergrund und Leitartikel

Artikel vom 10.01.2007