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Verfassung: Merkel setzt
auf Unterstützung in der EU

Kanzlerin will bis Juni einen Fahrplan zur Lösung der Krise vorlegen

Berlin (dpa). Bei der Lösung der EU-Verfassungskrise setzt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf die Unterstützung der anderen Mitgliedstaaten. »Wir sind auf Kooperation angewiesen«, sagte Merkel gestern in Berlin nach einer gemeinsamen Sitzung der EU-Kommission mit dem Bundeskabinett.

Zugleich bekräftigten Merkel und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, die Lösung der Verfassungskrise sei das zentrale Ziel der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. »Ein Lösungsansatz für den Verfassungsvertrag ist Kernstück der Präsidentschaft«, sagte Barroso in Berlin.
Die Kanzlerin bekräftigte ihr Ziel, bis zum Ende der deutschen Ratspräsidentschaft einen Fahrplan zur Lösung der Verfassungskrise vorzulegen. Nach der Ablehnung bei Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden liegt der Vertrag seit 2005 auf Eis.
»Es wird jetzt eine neue Runde eröffnet, die Reflexionsphase ist zu Ende«, sagte Merkel zum bisherigen Stillstand in der Verfassungsfrage. »Bis zur französischen Präsidentschaft 2008 sollen hier die Probleme so gelöst werden, dass Europa handlungsfähig ist.« Ausgangspunkt sei der bereits vorliegende Verfassungsentwurf. »Wir fangen nicht von Neuem an.«
Während sich Merkel mit Rücksicht auf die Verhandlungen mit den anderen 26 EU-Staaten inhaltlich zurückhielt, erklärte die CSU bereits öffentlich, der bisherige Vertragstext sei nicht zu halten. In Wildbad Kreuth sprach sich Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) dafür aus, den Verfassungsentwurf nur in Teilen weiter zu verfolgen. Die in dem Vertrag geplante zusätzliche Übertragung von Kompetenzen an die EU-Kommission habe keine Chance auf Zustimmung in einzelnen Mitgliedstaaten, sagte Stoiber bei der CSU-Klausurtagung.
»Ich bin darüber nicht unglücklich«, fügte der CSU-Vorsitzende hinzu. Im Bundestag und im Bundesrat hatte seine Partei für den Vertragstext votiert. Als Gast der CSU-Klausur bezeichnete der Chef der oppositionellen britischen Konservativen, David Cameron, den Verfassungsvertrag als tot. »Auch kein überzeugender Prediger könnte ihn zum Leben erwecken.« Seine Partei würde einem Verfassungsvertrag nie zustimmen.
Merkel und Barroso nannten als weitere Ziele der deutschen EU-Präsidentschaft den Abbau der Bürokratie, um das Wachstum vor allem der kleinen und mittleren Unternehmen zu fördern. Gemeinsam mit der EU-Kommission will Deutschland auch die baldige Freilassung der fünf in Libyen zum Tode verurteilten bulgarischen Krankenschwestern und eines palästinensischen Arztes erreichen. Bulgarien ist wie Rumänien seit 1. Januar Mitglied der Europäischen Union.
Die Frage könne nicht folgenlos blieben für die Beziehungen Libyens zur EU, sagte Barroso. Den Krankenschwestern wird vorgeworfen, mehr als 400 libysche Kinder vorsätzlich mit dem HIV-Virus angesteckt zu haben. Die internationale Gemeinschaft wirft Libyen vor, die Krankenschwestern und den Arzt als Sündenböcke für eigene Versäumnisse zu missbrauchen.
Der deutsche EU-Kommissar Günter Verheugen (SPD) lobte gestern den Arbeitsplan der Bundesregierung für die Ratspräsidentschaft. »Das Programm, das Angela Merkel vorgestellt hat, ist ein Programm mit Augenmaß, und ein Programm, das Europa wirklich vorwärts bringen wird.«
Überschattet wird das Treffen von der in Brüssel geplanten Entflechtung der Stromwirtschaft. Sie wird in Berlin abgelehnt. Eine rechtliche Trennung von Stromerzeugung und Netzbetrieb sei nicht notwendig, heißt es. Der in der Brüsseler EU-Kommission für Energiefragen zuständige Kommissar Andris Piebalgs will heute seine Strategie zur künftigen Versorgung Europas mit Strom, Heiz- und Treibstoff vorstellen.
Seite 4: Kommentar

Artikel vom 10.01.2007