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Racheschwüre am Grab

Video schürt neuen Hass zwischen religiösen Gruppen

Bagdad (Reuters). Nach dem Ende der Ära Saddam Hussein ist die Gewalt im Irak geblieben. Am frischen Grab des früheren Präsidenten schworen am Wochenende Hunderte seiner Anhänger Rache.
In der Nähe seines Geburtsortes Tikrit wurde Saddam Hussein beigesetzt.

Für eine weitere Zuspitzung der Gewalt zwischen den Bevölkerungsgruppen könnte ein im Internet veröffentlichtes, inoffizielles Video der Hinrichtung sorgen. Darauf ist zu hören, wie schiitische Vertreter den Todeskandidaten am Galgen beschimpfen.
Am Sonntag zogen Hunderte zu Saddams Grab in seinem Heimatdorf Audscha. Sie knieten und beteten in der mit Marmor verkleideten Moschee, wo der wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit hingerichtete Ex-Machthaber in einer privaten Feier beigesetzt worden war.
»Die Perser haben ihn umgebracht. Ich kann es nicht fassen. So Gott will, wir werden Vergeltung üben«, sagte ein Mann aus der nordirakischen Stadt Mossul. Mit »Perser« spielte er auf die schiitische Bevölkerungsgruppe an, die im Irak den Ministerpräsidenten stellt.
Im Irak und im Nachbarland Iran bilden sie die Mehrheit. Saddams Gefolgsleute gehören den Sunniten an. Die Auseinandersetzungen zwischen den Religionsgruppen haben den Irak im vergangenen Jahr an den Rand eines Bürgerkriegs gebracht. Weiter angefacht werden könnten sie nun durch die offenbar mit einem Handy gemachte Aufnahme der Hinrichtung. »Fahr' zur Hölle«, ruft darauf ein Schiitenvertreter dem unter dem Galgen stehenden Saddam zu. Dann fällt die Klappe und Saddams Körper pendelt am Strick. 200 Saddam-Anhänger protestierten in einem sunnitischen Viertel Bagdads gegen das Video und skandierten gegen die Schiiten gerichtete Parolen. Der Zorn über die Hinrichtung richtete sich auch gegen die USA. »Das einzige, was uns jetzt bleibt, ist uns an den Amerikanern und an der Regierung zu rächen«, sagte ein Trauernder.
Bei Minztee und Kaffee diskutierten die Pilger miteinander. Oft fiel das Wort »Märtyrer«. In anderen Städten und Sunnitenhochburgen hielten seine Anhänger symbolische Beerdigungsfeiern ab, um den Toten ihren Respekt zu zollen. Saddams Familie erklärte, an dem Grab eine Bibliothek errichten zu wollen, um ihn zu ehren.
Das Terrornetzwerk Al-Kaida rief die Aufständischen zum Zusammenschluss auf. »Alle mutigen Gruppen von Dschihad-Kämpfern« sollten sich vereinen, sagte der Vizechef der Organisation, Aiman al-Sawahri, in einer Tonaufnahme, deren Authentizität zunächst nicht bestätigt werden konnte.
In dem seit bald vier Jahren andauernden Krieg sind zehntausende Iraker und 3000 US-Soldaten getötet worden.

Artikel vom 02.01.2007