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Unbeugsam bis in den Tod

Iraks Kurden und Schiiten feiern die Hinrichtung ihres einstigen Peinigers

Von Jörg Fischer
Bagdad (dpa). Der irakische Ex-Diktator blieb unbeugsam bis in den Tod. »Nieder mit den Verrätern, den Amerikanern, den Spionen und den Persern«, ruft er ein letztes Mal, als ihm am Samstagmorgen kurz vor seiner Hinrichtung nochmals sein Todesurteil vorgelesen wird. Dann wird er in einen kargen Kellerraum geführt. Es ist bitterkalt, wie Augenzeugen hinterher berichten.

Die Eindrücke der 14 Zeugen von Husseins Gefühlen im Angesicht des Todes gehen auseinander. »Ich sah die Angst in seinen Augen«, erzählte der irakische Sicherheitsberater Muwaffak al-Rubai. »Er zitterte, sein Gesicht war blass«, gab ein anderer Augenzeuge zu Protokoll. »Er zeigte keine Angst«, dagegen ein Dritter.
Zwei inzwischen veröffentlichte Videos zeigen einen gefasst wirkenden Saddam in weißem Hemd und schwarzem Mantel. Der 69-Jährige lässt sich mit gesenktem Blick widerstandlos von zwei jungen Männern in den Hinrichtungsraum führen. Seine Scharfrichter in Lederjacken und mit schwarzen Henkersmützen erklären ihm nüchtern die Prozedur. Der Todeskandidat lehnt es ab, eine Kapuze über den Kopf zu ziehen - er will sehenden Auges sterben. Ein kurzer Blick zur Hinrichtungsstätte, dann betritt Saddam den mit einem roten Geländer umfassten Platz auf der Fallgrube. Die Scharfrichter legen ihm die Schlinge mit dem dicken Henkersknoten um den Hals und ziehen sie zu.
Damit endet das erste, sechs Stunden nach der Hinrichtung ohne Ton ausgestrahlte Video. Dem Zuschauer bleiben die letzten Sekunden im Leben Saddams erspart. Ein zweites, mit einer Handy-Kamera aufgenommenes Video zeigt dagegen auch noch, wie Saddam nach Öffnen der Falltür am Strick hängt.
»Dieses dunkle Kapitel ist beendet worden«, erklärt Sicherheitsberater Al-Rubai nach der Vollstreckung. Mit Saddams Hinrichtung haben die neue irakische Regierung und ihre amerikanischen Mentoren einen formalen Schlussstrich unter die blutige Ära der Gewaltherrschaft gezogen.
Vielen der Opfer, die über Jahre in den Kerkern des Regimes schmachten mussten, und den Angehörigen der unzähligen Menschen, die von seinen Schergen ermordet wurden, bereitet der Tod des Diktators Genugtuung. Nach der Hinrichtung ließen tausende Kurden und Schiiten im ganzen Land ihrer Freude über den Tod des einstigen Peinigers freien Lauf und zogen jubelnd auf die Straße. Selbst im Hinrichtungsraum konnte einer der Maskierten seinen Hass nicht verbergen. »Du hast uns getötet. Du hast unser Leben zerstört«, rief er Saddam zu.
Der Schauplatz des letzten Akts im Leben Saddams rief noch einmal Erinnerungen an die Grausamkeiten des Gewaltherrschers wach. Der Ex-Diktator wurde im Keller eines Gebäudes des einstigen Militärgeheimdienstes exekutiert, in dem viele seiner Gegner ebenfalls ihr Leben gelassen haben.
Saddam hatte noch bis kurz vor seinem Ende in den Händen seiner Häscher ausharren müssen - bei den von ihm als »Invasoren und Besetzer« beschimpften Amerikanern, die ihn im April 2003 gestürzt hatten. Sieben Monate später spürten ihn US-Soldaten in einem Erdloch auf einem Bauernhof nahe Tikrit auf. Erst eine halbe Stunde vor der Hinrichtung überstellten die Amerikaner ihn an die Iraker - außerhalb der vom US-Militär kontrollierten Zone.
Dass der Tod Saddams etwas an der alltäglichen Gewalt ändern könnte, glaubt inzwischen kaum ein Iraker mehr. Und Worte Saddams aus dem Hinrichtungskeller erinnern so manchen an jahrzehntelang von ihm wiederholte düstere Prophezeiungen über den Zerfall des Landes nach seinem eigenen Ende: »Der Irak ist nichts ohne Saddam.«

Artikel vom 02.01.2007