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So ehrlich wie Eco sind die
Schriftsteller recht selten

Der »Meister der Vernebelung« ist heute 75 Jahre alt

Rom (dpa). Er selbst nannte sich einmal einen »Meister der Vernebelung«. Mit Recht. Der Schriftsteller Umberto Eco wird heute 75 Jahre alt.
Kein anderer Autor mit Millionenauflagen liefert derart raffinierte, verschlungene und packende Romane wie er - spannend wie Krimis und doch zugleich gespickt mit Hintersinn, voller Geistesblitze und kulturhistorischen Bezügen. Über die traditionelle Unterscheidung zwischen ernster Literatur und und Unterhaltung kann der Italiener nur lachen. Weit mehr als 15 Millionen Mal wurde »Der Name der Rose« verkauft, dieser lebenspralle Kloster-Thriller, der den Leser ganz nebenbei tief in die Gedankenwelt des Mittelalters eintauchen lässt. Umberto Eco ist einer der großen Autoren unserer Zeit - nur den Nobelpreis gab es noch nicht für ihn.
Ob »Das Foucaultsche Pendel« (1988), »Die Insel des vorigen Tages« (1994) oder sein Roman »Baudolino« - souverän verknüpft Eco die Handlungsbögen, mit erfrischender Ironie führt er seine Helden durch Gedankenlabyrinthe von Philosophie und Wissenschaft, und das alles verwebt er mit Rückblenden, Träumen und Hirngespinsten, dass es eine Freude ist. Nichts ist, wie es scheint; Seite um Seite lässt er den Leser die Geheimnisse entschlüsseln; alles ist penibel konstruiert, nichts überlässt er dem Zufall.
Doch der Fabulierer Eco bleibt bescheiden: »Ein Erzähler kann nichts erfinden, was der Dramatik und Komik der Wirklichkeit auch nur annähernd gleichkäme«, heißt das Rezept des gelernten Professors. »Je tiefer wir die Geschichte erforschen, auf umso mehr unglaubliche, romanhaft anmutende Situationen stoßen wir, auch der kreativste Kopf könnte sich so etwas nicht ausdenken.« Offen bekennt Eco, in seinem Mittelalter-Epos »Baudolino« bei der Beschreibung von König Barbarossa und seiner Frau sich ziemlich genau an überlieferte Quellen gehalten zu haben - so ehrlich sind Schriftsteller selten.
Dabei ist Eco von Hause aus kein Romancier, sondern Wissenschaftler. Der Sohn eines Buchhalters aus dem norditalienischen Alessandria studierte Philosophie in Turin, arbeitete für Medien und Verlage und wurde 1971 Professor für Semiotik (Zeichenlehre), war Gastprofessor in Brasilien, den USA und Argentinien.

Artikel vom 05.01.2007