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In seiner Musik bleibt der
»Godfather of Soul« unsterblich

James Brown stirbt mit 73 - Herztod nach Lungenentzündung

Atlanta (WB/dpa/Reuters). An Selbstbewusstsein mangelte es ihm nie. Er sei das vierte »B« in der Reihe großer Musiker, prahlte er mit Vorliebe: Bach, Beethoven, Brahms und Brown - James Brown.

Am ersten Weihnachtsfeiertag fand das irdische Leben des ehemaligen Gospel-Chorknaben, der zum »Godfather of Soul« aufstieg, sein Ende. Mitten aus dem prallgefüllten Terminkalender heraus - im »B.B. King Club« am New Yorker Times Square wollte der 73-Jährige das neue Jahr mit zwei Shows einläuten - wurde er Heiligabend ins Emory Crawford Long Hospital von Atlanta (US-Bundesstaat Georgia) eingeliefert. Dort starb er wenige Stunden später an Herzversagen.
Er sei der am härtesten arbeitende Mann im Showgeschäft, hatte der legendäre Sänger, Songwriter, Bandleader und Tänzer stets behauptet. Und so trat er bis zum Schluss lieber vor sein Publikum, als eine Lungenentzündung auszukurieren. Als er nun ins Krankenhaus kam, war es zu spät.
Brown war einer der wichtigsten Wegbereiter des Funk, Rap und Hip-Hop. Über Jahre hinweg lieferte »Mister Dynamite« Hits wie am Fließband ab, darunter die Klassiker »Sex Machine«, »It's a Man's World« und »I Feel Good«. Sein Titel »Say It Loud (I'm Black and I'm Proud)« wurde in den 60er Jahren zur Hymne der Bürgerrechtsbewegung in den USA.
Michael Jackson, Prince, die Rolling Stones und viele andere Pop-Größen zählen Brown zu ihren Wegbereitern und Vorbildern. Seine harten, rhythmusbetonten Songs, sein gekrächzter Gesang und sein Tanzstil wurden von einer ganzen Generation von Rock- und Popmusikern aufgegriffen. Das atemberaubende Tempo von Browns Konzerten, die grellen Licht-Shows und der ständige Wechsel seiner glitzernden Anzüge überboten alles, was Ray Charles, Ike & Tina Turner und andere Soul-Größen in den 60er und 70er Jahren zum Besten gaben.
James Browns Lebensgeschichte unterdessen war eine einzige Berg- und Talfahrt. In bitterer Armut wuchs er in Zeiten der Rassentrennung in den US-Südstaaten auf. Bereits in jungen Jahren musste er wegen bewaffneten Raubüberfalls in Georgia in den Knast. Mit 15 schmiss er die Schule - und schloss sich einer Gospel-Truppe an. Dort spielte er Schlagzeug und entdeckte den Rhythm and Blues. Er versuchte sich auch als Schuhputzer, Baumwollpflücker, Autowäscher, Boxer und Baseball-Spieler, doch der Durchbruch gelang ihm als Musiker. Sein Lebenswerk ist auf mehr als 50 Alben dokumentiert, mehr als 100 Songs schafften es in die Charts.
Seinen erfolgreichsten Lauf hatte James Brown zwischen 1960 und 1977. Es entstanden Songs wie »Please, Please, Please« und »Papa's Got a Brand New Bag«. Doch auch in den Jahren danach gelangen ihm immer wieder riesige Verkaufserfolge. Für seinen Hit »Living in America« von 1985, den er im vierten Teil der »Rocky«-Boxerfilme zum Besten gab, bekam er seinen ersten Grammy. 1992 wurde er mit dem Musik-Oscar für sein Lebenswerk geehrt.
Doch immer wieder auch geriet er mit dem Gesetz in Konflikt, wurde wegen Drogen- und Waffenbesitzes angeklagt. 1988 schließlich musste er erneut für Jahre ins Gefängnis. Vorausgegangen war eine spektakuläre Verfolgungsjagd durch zwei Bundesstaaten, die von Polizei erst mit Schüssen in die Reifen von Browns Fluchtwagen beendet werden konnte.
In Erinnerung wird der »Godfather of Soul« aber wegen seiner Musik und seiner unvergleichbaren Bühnenshow bleiben. Bis zu 300 Auftritte im Jahr schaffte er in seinen besten Zeiten, in den 1990er-Jahren inszenierte er auch einen in der Bielefelder Seidenstickerhalle. Auf der Bühne lief er zu Hochform auf, tanzte sich Extase. So wie im Kultfilm »The Blues Brothers«, in dem er einen Prediger spielt, der seiner Gemeinde mit einem Gospel-Chor einheizt, riss er sein Publikum bis zur Erschöpfung von den Stühlen. »Ich will den Leuten mehr geben, als das, wofür sie gekommen sind«, lautete sein Credo.
James Brown soll in Atlanta beigesetzt werden. Er hinterlässt seine 36-jährige Frau Tomi Rae, mit der er noch einen fünfjährigen Sohn hatte.

Artikel vom 27.12.2006