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Die Mappe fliegt nicht mehr unters Bett

Viola Richter-Jürgens aus Werther: Ihr (Um)Weg von der Managerin zur Kunstschaffenden

Von Frauke Kanbach
(Text und Fotos)
Werther (ka). Der zarte Stift und der dicke Quast, die große und die kleine Fläche, die harte und die weiche Linie. »Je nachdem wie das Leben so spielt«, beschreibt Viola Richter-Jürgens ihre Bilder. Bilder, die Geschichten erzählen, die das Leben schreibt. So wie ihre Geschichte.
Ein Weg, gesäumt von 100 Stelen. Jede Stele trägt einen Satz, ein Wort, eine Frage zur Vergänglichkeit. Viola Richter-Jürgens in ihrem »Parcours der Vergänglichkeit«.

Viele ihrer Bilder geraten zu Frauenbildern. Frauen mitten im Leben stehend, auch wenn es ein paar Verrenkungen und unkonventionelle Lösungen verlangt. In diesen Bildern setzt sich die Künstlerin, die in Lübeck geboren und seit 1990 in Werther zuhause ist, auch mit ihrer eigenen Biografie gestalterisch auseinander.
Kaum zu glauben, dass es in ihrer künstlerischen Biografie eine »zeichnerische Stille« von fast 20 Jahren gibt. Als der Versuch, nach ihrem Studium an der FH Bielefeld 1977 als Freiberufliche Illustratorin zu arbeiten, 1979 scheitert, schmeißt die junge Mutter desillusioniert ihre Zeichenmappe unters Bett. Sie sei damals zu naiv gewesen, habe geglaubt, die Welt warte nur auf sie, gesteht die 59-Jährige rückblickend. Sie findet einen Job als kaufmännische Angestellte in einem kleinen Elektrikbetrieb. Dieser wächst in den nächsten 20 Jahren auf 140 Mitarbeiter und Richter-Jürgens wächst mit den Aufgaben. Sie lässt sich berufsbegleitend zur Personalfachkauffrau ausbilden und steigt zur Personalleiterin und zum Mitglied der Geschäftsführung auf. Tätigkeiten, die sie voll und ganz ausfüllen.
Rückblickend bezeichnet sie diese Zeit als »geistige Einbahnstraße mit zu wenig Kontakt nach außen und beruflichen Vergleichsmöglichkeiten«. 1998 kündigt sie ihren Job. Als ein Suchen und Finden beschreibt sie das folgende arbeitslose Jahr. Sie findet zunächst wieder zur Kunst und dieser Weg führt sie über Bethel, wo sie gleich »zweifach hängen bleibt«. Sie übernimmt dort ein Ehrenamt und arbeitet zusammen mit Betheler Künstlern. Richter-Jürgens: »Eine produktive Zeit.« So gestaltet sie 2001 in Gemeinschaftsarbeit mit Ursula Braun ein Bild für die Eingangshalle des Hauses Gihon.
Nach zarten Buntstiftzeichnungen im Studium malt sie jetzt auch endlich Bilder ohne Berichtigung: kein Vorzeichnen, kein Radieren, Form zu Form, wie es sich fügt. Es habe erst einer grundlegenden Veränderung bedurft, um sie daran zu erinnern, dass sie noch ein anderes Abschlusszeugnis habe, auf dem Diplom-Designerin steht, wie Richter-Jürgens erzählt.
Beruflich nimmt sie 1999 an einer Ausbildung zum Senior-Trainee teil, die sie als »Rundumerneuerung« empfindet. »Das war genau das richtige für mich«, sagt die 59-Jährige. Seitdem macht sie hauptsächlich Projektarbeit. Da dies ein endliches Geschäft ist und ihre derzeitige Tätigkeit ausläuft, ist sie wieder auf der Suche nach einer neuen beruflichen Aufgabe. Sie werde ihre Kunstmappe aber nie wieder unters Bett schmeißen, wie Richter-Jürgens mit Bestimmtheit erklärt. Die Kunst sei neben ihrer Familie, ihrer Arbeit und ihrem Ehrenamt ein unverzichtbares Standbein in ihrem Leben geworden. Mit vielen Ausstellungen und Kunstprojekten hat sie sich zu einer regional etablierten Künstlerin entwickelt und ist Mitglied im FrauenKunstForum OWL. Sie habe noch viele Ideen, die sie umsetzen möchte, wie die Künstlerin in ihr verrät.

Artikel vom 27.12.2006