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Halswirbelbruch - Labo trotzdem froh

Trainingsunfall hätte zur Lähmung führen können - Hoffnung auf Comeback

Von Uwe Caspar (Text und Fotos)
Verl/Münster (WB). Erst 20 Minuten durfte er für den SC Verl in der Oberliga am Ball sein, vorerst bleibt es auch bei diesem Minieinsatz. Und trotzdem sagt Ousseni Labo: »Ich habe noch Glück gehabt.«

Nur wenige Tage nach seiner kurzen Saison-Premiere, beim 5:1-Sieg in Wattenscheid, stoppte ein tragischer Trainingsunfall den ehrgeizigen Offensivspieler: Bei einem Zusammenprall mit Torwart Fatih Kalintas brach sich Labo den fünften Halswirbel. Dank seiner kräftig entwickelten Rücken- und Nackenmuskulatur blieb dem Togolesen Schlimmeres erspart - die bei Fußballern nur selten auftretende Verletzung hätte im extremsten Fall sogar zu seiner Querschnittslähmung führen können. Das haben ihm die behandelnden Ärzte bestätigt. Inzwischen sehen sie ihren Patienten auf dem Weg der Besserung.
Seit einigen Tagen muss Ousseni keine stützende Halsmanschette mehr tragen und kann in Kürze mit aufbauenden Rehabilitationsmaßnahmen beginnen. Allerdings steht noch nicht fest, wann sich Labo wieder ins Training stürzen darf. »Ich hoffe, dass die Saison für mich noch nicht gelaufen ist«, fiebert der Mann aus Münster jetzt schon seinem Comeback entgegen.
Sportlich war es kein allzu gutes Jahr für ihn: Weil sich die Behörden viel Zeit ließen, erhielt der Afrikaner erst Mitte Oktober die Spielberechtigung, die ab Oberliga an die Aufenthaltsgenehmigung gekoppelt ist. Mit den erforderlichen Papieren stand auch seiner Hochzeit nichts mehr im Weg: Am 13. Oktober, pikanterweise ein Freitag, heiratete Ousseni seine langjährige Verlobte Johanna. Trauzeuge: Mannschaftskamerad Bayamba Belombo.
Das frisch vermählte Paar hatte sich 2003 bei einem Afrika-Festival in der »Wilsberg-Stadt« kennengelernt. »Aber richtig gefunkt hat's erst später, weil wir beide ziemlich schüchtern sind«, berichtet die Arzthelferin lächelnd.
Die Familie ihres Mannes konnte bei der Feier nicht dabei sein: Labo musste als 20-Jähriger aus politischen Gründen seine von einer Diktatur geführten Heimat verlassen, nachdem er bei einer Demonstration verhaftet worden war und dann mehrere Wochen im Gefängnis einsaß. »Es wurde zu gefährlich, deswegen entschloss ich mich zur Flucht«, erzählt er. Die eigene Mutter und ein befreundeter Soldat halfen ihm, seinen Plan zu verwirklichen. Leicht fiel ihm der Abschied nicht, zumal Ousseni damals schon - zusammen mit dem heutigen Nationalspieler Mustafa Salifou - für den Erstligisten FC Model Lome kickte.
Togos Fußball-Oberhaus ist vergleichbar mit der hiesigen Regionalliga. Über Ghana in Europa angekommen, landete Labo nach Aufenthalten in mehreren Asyllagern schließlich in Münster. Ousseni hielt sich zunächst beim Siebtligisten ESV fit, wo er heute noch gelegentlich den C-Jugendnachwuchs betreut. Dem ESV-Gastspiel folgte ein kontinuierlicher Aufstieg: Nach GW Gelmer (Landesliga) und Davaria Davensberg (Verbandsliga) empfahl sich Labo in diesem Sommer via Probetraining beim SCV. An seine Zeit in Gelmer denkt der sympathische Stürmer mit den blond getönten Haaren nicht so gern zurück: »An fast jedem Wochenende wurde ich von Gegenspielern und Zuschauern angepöbelt und beleidigt.«
In Münster dagegen, längst seine zweite Heimat, schätzen ihne viele Freunde und Bekannte. Respekt erwarb sich Ousseni auch durch seinen harten Nebenjob, den er mittlerweile aufgab, um sich ganz auf den Fußball zu konzentrieren: Drei Jahre lang trug Labo auf dem Fahrrad fast jede Nacht Zeitungen aus. »Im Winter kam er manchmal völlig durchgefroren nach Hause«, erinnert sich Johanna fröstelnd. Was ihren »Schatz« nicht davon abhielt, nach getaner Arbeit noch eine Laufeinheit in den frühen Morgenstunden zu absolvieren. Joggen darf er erst dann wieder, wenn ihm der Arzt »grünes Licht« gegeben hat. Bis dahin will Ousseni den Führerschein erworben haben, damit er nicht mehr auf die Bahn angewiesen ist, um über Gütersloh an die Verler Poststraße zu gelangen Eine etwas beschwerliche An- und Abreise. Gelegentlich nimmt ihn der noch in der Domstadt studierende Lars Remmert zum Training mit. Später möchte auch Ousseni beruflich Fuß fassen in Deutschland und visiert deshalb den Realschulabschluss an.
Neben seiner Johanna wird Labo ebenso vom Schwiegervater tatkräftig unterstützt und beraten. Tilo Beckmann hat seinem Schwiegersohn sogar eine Homepage eingerichtet, was für einen Akteur aus der vierten Liga recht ungewöhnlich scheint. »Mancher mag darüber schmunzeln. Doch auf seiner Homepage geben wir vernünftige Informationen heraus, um möglichen Spekulationen vorzubeugen. Ich finde das auch deshalb wichtig, weil Ousseni ein Schwarzer ist«, so begründet Beckmann den Internetauftritt. Labos nächster SCV-Auftritt wird noch etwas dauern. »Aber er kommt bestimmt«, bekräftigt der Verler Pechvogel, der sich familiär indes als Glückspilz fühlt.

Artikel vom 23.12.2006