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Geheimgang
in Königsberg

Neue Spur zum Bernsteinzimmer?

Königsberg (dpa). Russische Archäologen sind in Kaliningrad (Königsberg) bei Ausgrabungsarbeiten in den Kellern des 1969 gesprengten Stadtschlosses auf einen rätselhaften unterirdischen Gang gestoßen.

Noch ist unklar, wohin der Tunnel führt, er liegt voller Schutt und ist nur etwa 20 Meter weit einsehbar. Der Eingang des etwa einen Meter breiten, fast mannshohen Ziegelgewölbes liegt versteckt in einer Nische des Ostflügels. Nach einem Knick fällt der Gang steil ab zum Strom Pregel, der die Stadt in zwei Armen durchfließt.
Doch die Wissenschaftler sind sich so gut wie sicher: Sie haben jenen legendären Geheimtunnel entdeckt, der seit dem Mittelalter das Ordensschloss mit der etwa 400 Meter entfernten Dominsel Kneiphof verband. Von einer Sensation spricht Professor Wladimir Kulakow, der als Chef der Baltischen Expedition am Nationalen Archäologie-Institut Russlands die Schlossausgrabungen in Kaliningrad leitet. Der Tunnel stamme wahrscheinlich aus dem späten 14. Jahrhundert und sei zumindest in dem bisher geöffneten Teil in sehr gutem Zustand. »Vielleicht können wir schon bald den Verbleib einiger verschollener Königsberger Kunstwerke und Museumsexponate aufklären«, hofft er.
In der einstigen Hauptstadt Ostpreußens verschwanden in den Kriegswirren ganze Sammlungen spurlos. Allein aus dem kostbaren Fundus des Prussia-Museums fehlen zehntausende Exponate. Doch das Schicksal des Bernsteinzimmers stellt alles in den Schatten. Zum letzten Mal wurde der Schatz Anfang April 1945, kurz vor Erstürmung der Stadt durch die Rote Armee, im Königsberger Schloss gesehen, zum Transport verpackt in 27 Kisten. Im Schlosskeller verliert sich seine Spur. Führt der unterirdische Geheimgang auf die Spur des Kleinods? Anatolij Walujew, Chefarchäologe des Kaliningrader Museums für Geschichte und Kunst, will das nicht kommentieren. »Das sind Spekulationen. Die Entdeckung des Tunneleingangs ist natürlich ein großer Glücksfall für uns.
Walujews deutsche Geldgeber sehen das womöglich anders. Finanziert wird das seit drei Jahren laufende Grabungsprojekt vom Nachrichtenmagazin »Der Spiegel«. In der Hamburger Redaktion belegt ein umfangreiches Dossier: Vieles spricht dafür, dass das seit 60 Jahren an Dutzenden Orten in halb Europa gesuchte Bernsteinzimmer Königsberg nie verlassen hat. Mit einiger Wahrscheinlichkeit liegt es unter den verschachtelten Kellergewölben des Schlosses versteckt. Bisher brachten die Ausgrabungen nur Backsteintrümmer und Weltkriegsgerümpel ans Licht. Die Entdeckung des Tunnels ist die heißeste Spur.

Artikel vom 22.12.2006