23.12.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Es begann mit einer einzigen Figur

Ein besonderes Weihnachtshobby: Die Krippenlandschaft von Hans Herwartz

Von Sonja Gruhn
Lübbecke (WB). Ein ganz besonderes »Weihnachtshobby« pflegt Hans Herwartz aus Lübbecke seit mehr als 35 Jahren. Kurz vor Beginn der Adventszeit werden unzählige, mit Seidenpapier ausgekleidete Schachteln hervorgeholt, und dann macht sich Hans Herwartz daran, seine aufwändig gestaltete Krippe aufzubauen.

Ins Wohnzimmer oder gar unter einen Weihnachtsbaum passt sie schon lange nicht mehr. Auf einem Gestell aus Metallblöcken und Querlatten und anschließend eingeschaltet, entsteht auf einer etwa sechs Meter langen und eineinhalb Meter tiefen Fläche eine wunderschöne Landschaft mit zahlreichen Details und Figuren. Bis Mitte Januar wird die Krippe dann zu bewundern sein.
Dabei hat 1970 alles mit einer einzigen Figur angefangen. Und die stammte von einem Schnitzer aus Oberammergau. Dieser Schnitzer behielt sich vor, pro Jahr lediglich eine Figur pro Käufer zu fertigen. So dauerte es einige Jahre, bis Herwartz die Heilige Familie, Ochs und Esel zusammen hatte. Einen Großteil davon bekam er von seiner Frau Renate und seinen Kindern geschenkt.
Die handgeschnitzten Holzfiguren sind nicht nur mit feinsten Pinselstrichen bemalt, sondern tragen darüber hinaus richtige Kleidung. Die Jahreszahl ist mit kleinen Aufklebern unter dem Sockel vermerkt. »Als der Schnitzer in den Ruhestand ging, musste ich auf Handwerker aus Heidelberg, Osnabrück und dem Schwarzwald zurückgreifen.« Die meisten menschlichen Figuren hatte Herwartz bis dahin schon zusammen, jetzt kamen überwiegend Tierfiguren dazu. »Bei einigen habe ich allerdings den Verdacht, dass sie nicht wirklich handgefertigt sind, denn den Oberflächen fehlt die charakteristische Struktur, sie sind zu glatt«, sagt er.
Der Esel ist seine Lieblingsfigur: »Er sieht aus, als würde er schmunzeln.« Etwa eine Woche dauert es, bis die Landschaft, die in jedem Jahr anders gestaltet wird, aufgebaut ist, die elektrischen Leitungen verlegt und die Figuren angeordnet sind. Moosplaggen dienen als Untergrund und seit drei Jahren gibt es sogar einen »Sternenhimmel« aus Stoffbahnen. »Während dieser Zeit sieht es hier aus wie auf einem ÝSchlachtfeldÜ«, erklärt Renate Knickmeyer-Herwartz, die sich am liebsten am fertigen Objekt erfreut. Sogar ein kleiner Wasserfall ist eingebaut. »Den zu justieren ist gar nicht so einfach. Dabei nehme ich selbst oft eine kleine Dusche«, so Herwartz.
Besonders schön anzuschauen sind die großen Wurzeln, die das Landschaftsbild prägen. Sie bilden den Hintergrund und suggerieren Hügel und Täler. Die Wurzeln stammen vorwiegend aus dem Wiehengebirge. »Manche habe ich auch zufällig beim Spaziergang gefunden.« Und in »Lebensgefahr« begibt sich Hans Herwartz für seine Wurzeln hin und wieder ebenfalls, wenn auch eher unabsichtlich. »Da bin ich auf ein Wespennest gestoßen, und die Bewohner verfolgten mich tatsächlich bis nach Hause.« Zum Glück war die Anzahl der Stiche nicht lebensgefährlich, aber wehgetan haben sie allemal.
Die schweren Wurzeln müssen manches Mal sogar mit der Schubkarre transportiert werden. In wochenlanger Feinarbeit werden sie mit Pinseln gereinigt und getrocknet. Die Liebe zum Detail wird deutlich, wenn man sich die Zeit nimmt, genau hinzuschauen. Hier ist viel zu entdecken: Kleine Laternen, Schemel, gedeckte Tischchen mit Obstschalen und winzigkleinen Bestecken, Geschirr und Töpfe, Körbe und Schalen mit Würsten und Brot, Werkzeuge, ein Kaninchenstall und sogar eine Lebendmausefalle sind zu finden.
Nur das Toilettenhäuschen musste in diesem Jahr im Karton bleiben. Viele der kleinen Gegenstände stammen von Flohmärkten oder aus dem Puppenstubenzubehör. Hauptsache: alles aus Holz.
Miniaturzäune trennen einzelne Szenen ab, von Ziegen gezogene Heukarren scheinen sich durch die Landschaft zu bewegen während eine Hühnerschar fleißig nach Körnern pickt. Derweil prasseln die Lagerfeuer, der Fuchs läuft mit seiner Beute über einen Hügel, die Eulen im Nest hegen ihre Brut, der Hirsch röhrt umgeben von seiner Familie und der kleine Junge bietet seinem Pferd einen Apfel an.»Meine Enkelin Chantal ist so begeistert, dass sie sich bereits im Alter von vier Jahren selbst eine Krippe gewünscht hat. Sie guckt sich alles immer ganz genau an und sagt dann: Opa, das ist aber neu.«
Hans Herwartz hat dieses Hobby von seinem Vater sozusagen geerbt. Zwei Lagerfeuer und ein Brunnen stammen noch von ihm. Ob Mensch oder Tier, die Figuren sind in Bewegungsabläufen so geschickt festgehalten, dass ein »lebendiger« Eindruck entsteht. Und auch die »Wüste lebt«. Neben einer Bananenplantage und Kakteen aus Teneriffa rasten die Heiligen drei Könige mit Pferd, Kamel und Elefant neben einem Brunnen im Wüstensand. Auch ihr Tisch ist mit Miniaturgaben gedeckt.
Während der Adventszeit sorgt Herwartz dafür, dass sie sich auf den Weg zur Krippe am anderen Ende des Raumes machen, dorthin, wo der Stern leuchtet. Und wenn sie angekommen sind, dann ist Weihnachten.

Artikel vom 23.12.2006