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Wort zur Weihnacht

Heute von Pfarrer Udo Tielking

Udo Tielking ist Pfarrer der katholischen Gemeinde St. Johannes-Baptist.

Jede Zeit hat das Ereignis von Bethlehem übersetzt: In ein Fachwerkbauernhaus, auf eine Alm, in einen Palast und der Bergmann in eine Kohlengrube. Die Krippe ist unterschiedlich. Mal ein deutscher Futtertrog, mal eine hölzerne Krippe, mal aus Stein, dann wieder aus Lehm, und das Mittelalter legte Jesus auf den Altar. Nur eines bleibt im Letzten immer gleich: In der Mitte liegt das Kind. Wo liegt heute dieses Kind?
Am ehesten erkennen wir unsere Lebenssituation in den Personen, die das Kind umgeben. Da ist Josef, der von Maria so enttäuscht ist, dass er sich von ihr trennen will.
Wir erleben in ihm die Spannung von Liebe und Pflicht. Josef ist ein Mann, der sich schließlich von Gott binden lässt. Ich glaube, viele Schwierigkeiten mit Bindung haben ihren Grund u. a. im Mangel an Religiösem.
Im Traum begegnet dem Josef ein Engel. Von innen heraus wird Josef also verändert. Ob es Ehe oder Pflichtaufgaben oder Ehrenamt sind, es geht in all diesen Bindungen nicht ohne eine von woanders herkommende Bindung. Wir wagen oft die menschliche Bindung nicht, weil wir zu Gott keine Bindung mehr haben. Es gibt einen Zusammenhang von Bindung an Gott und menschlichen Bindungen.
Da ist Maria. Alles was sie sagen kann, würde man ihr nicht glauben. Es gibt Situationen, in denen trügt der Augenschein, und wir werden leicht zu Richtern oder Gerichteten.
Manchmal ist das zunächst Unbegreifliche und Unfassbare das eigentlich Wichtige. Es muss Aufbrüche im Leben geben. Das Unglück manchen unglücklichen Lebens besteht darin, immer die gleichen Gedankengänge zu verfolgen, seiner Sehnsucht aber keinen Raum zu geben. Wenn wir uns auf Gott einlassen, ist vieles möglich bei dem wir uns wie Maria fragen: Wie soll das geschehen? Ohne Gott setzt sich unter den Menschen unglaublich viel Schlimmes durch.
Da ist Herodes. Für seine Zeitgenossen der Inbegriff alles Grausigen und Unheimlichen, das es aber auch in jedem Menschen gibt. Seine Größe bestand in Egoismus, Betrug, Mord, Tyrannei und Verbrechen. Sein Brot war das Schwert. Er richtete nicht nur ein Blutbad in Jerusalem als Vaterlandsverräter zusammen mit den Römern an.
Einen Großteil seiner Familie löschte er aus. Der Kindermord von Bethlehem passt in das Bild des Herodes hinein. Auch für unsere Zeit gilt die Grausamkeit von manchen Mächtigen und ihren Vasallen. Wer auf Macht und Mord und Lüge baut, begreift die Dinge auch nur so weit, wie Macht und Mord und Lüge reichen. Es ist so tröstlich, dass nicht Herodes Geschichte macht, sondern Gott macht Geschichte mit Herodes. Gott macht seine Geschichte mit uns und hat mit uns seinen Plan.
Die Magier aus dem Morgenland, die die enttäuschenden Antworten und die Scheinheiligkeit der auf Gewalt bauenden Mächtigen erlebt haben, bekommen die Antwort auf ihre freudige Anfrage nicht in Jerusalem sondern in Bethlehem. Gewalt bringt Gewalt, Hass bringt Hass, Argwohn Argwohn und Lüge Lüge hervor.
Für jeden von uns gilt: Man kann bei der Zwischenstation Jerusalem hängen bleiben, dort mit seiner Suche aufhören oder trotzdem weitergehen, bis alle Suche nach Sinn zur Ruhe kommt wie der Stern, der über dem Haus stillstand. Wenn du willst, ist Gott der Pilot deiner Sehnsucht.
Mitten in dieser Welt begibt sich Gott als Kind mit einer Wehrlosigkeit wie sie nicht radikaler sein kann und wird in dieser Welt zum Hoffnungsträger. Eine Welt, wo jede Stunde auf dieser Erde 1 000 Kinder unter fünf Jahren sterben, sich jeden Tag 8 500 Minderjährige mit HIV infizieren, 300 000 Kinder Soldaten sind und 852 Millionen in Armut leben.
In diese Welt wagt sich Gott hinein. In Gestalt eines kleinen Kindes ist er die große Hoffnung für die Menschheit und der Pilot unserer Sehnsucht geblieben.

Artikel vom 23.12.2006