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Frohlocket aus ganzem Herzen

Der Tölzer Knabenchor begeisterte mit Bachs Weihnachtsoratorium

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). An erbaublichen Aufführungen des Bachschen Weihnachtsoratoriums herrscht so kurz vorm Fest kein Mangel. Dennoch durfte sich das »Pro Musica«-Publikum glücklich schätzen, denn in solch reiner und authentischer Wiedergabequalität wie beim Tölzer Knabenchor erlebt man das Werk nur selten.

Seit 50 Jahren steht Gründerchef Professor Gerhard Schmidt-Gaden als Garant für ein musikalisches Qualitätssiegel, das perfekte Gesangstechnik mit historischer Aufführungspraxis verbindet. 35 Buben -Ê mehr standen auch dem Thomaskantor nicht zur Verfügung -, das »L'Orfeo Barockorchester« nebst zwei profunden Gesangssolisten bildeten eine sichere Klangbank, auf der Schmidt-Gaden stilsicher und ausgefeilt den Jubel über die Geburt Christi in den Kantaten I bis III nebst VI entfalten konnte. Ein Jauchzen und Frohlocken aus ganzem Herzen fesselte dann vom Eingangs- bis zum Schlusschor.
Betörend auch das frische und völlig unmanierierte Klangbild des Chores, der so artikulationsgeschliffen wie nuanciert sang und aufmerksam sämtliche Vorgaben einer inhaltlich fein ausgehorchten Partitur umsetzte. Wann kriegt man schon einmal einen »Ehre sei Gott«-Chor in solch straff formulierter Melismenreinheit zu hören?! Wann einen schwungvolleren, enthusiastischeren »Herrscher des Himmels«-Chor?! Ehrensache, dass die Choräle allesamt bis ins kleinste Detail ausformuliert waren, ja auch unerwartet neue Aspekte zutageförderten und somit sowohl in Atem hielten als auch berührten.
Rührung und Bewunderung - beides lösten die Chorbuben aus, die die solistischen Sopran- und Altpartien übernahmen. Allen voran wohl der junge, namentlich leider nicht erwähnte Herr, der so selbstbewusst wie ausdrucksvoll in den Altarien »Bereite dich Zion« und »Schlafe mein Liebster« brillierte.
Mit Markus Schäfer (Tenor) und Panajotis Iconomou (Bass-Bariton), einem ehemaligen Tölzer Altsolisten, waren auch die tiefen Solostimmen ausgezeichnet besetzt. Schäfer erwies sich als glänzender Evangelist, der mit großer Ausdruckstiefe und tenoralem Schmelz verkündete, Panajotis Iconomou als kraftvoller Bass mit nobler Klangrundung und Gefühlsdichte.
Kongenial fügte sich das »L'Orfeo Barockorchester« auf historischem Instrumentarium ins Bild. Dezentes Affetto, ausgefeiltes Konituospiel, ausgezeichnete Soli -Ê die Liste der Vorzüge ließe sich noch lange fortsetzten. Alles in allem eine beglückende Einstimmung, die für Begeisterung sorgte.

Artikel vom 20.12.2006