20.12.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Niemand weiß, ob der Geburtstag des Herrn in
diesem Jahr nicht im Feuerhagel
untergeht.«

Leitartikel
Zwei Gewinner in Nahost

Wie weit
gehen die
Radikalen?


Von Jürgen Liminski
Bethlehem bereitet sich auf Weihnachten vor. Aber es wird geschossen im Heiligen Land, und niemand weiß, ob der Geburtstag des Herrn nicht im Feuerhagel untergeht.
Etliche arabische Politiker vor und hinter den Kulissen bemühen sich, die Streitparteien wenigstens auseinanderzuhalten. Man kann davon ausgehen, dass die meisten auf der Seite von Palästinenserpräsident Abbas stehen, denn für alle arabischen Potentaten in der Region sind die radikalen Islamisten eine Gefahr. Hinter der Hamas steht noch Syrien, das seinerseits mit Iran verbündet ist und manchen Hamas-Führern Schutz in Damaskus bietet.
So zeigt diese Auseinandersetzung auch an, wo die Frontlinien im arabisch-islamischen Lager verlaufen. Natürlich geht es auch um die Frage, ob man mit Israel Frieden schließen oder wenigstens zu einer Art Koexistenz finden soll oder nicht.
Aber keiner Seite ist wirklich daran gelegen, die andere zu vernichten, das würde die Palästinenser gegenüber Israel nur schwächen. Die radikalen Islamisten setzen auf die iranische Bombe und darauf, dass der Islam nicht nur im Heiligen Land und im gesamten Vorderen Orient die Herrschaft erlangt, sondern auch in Europa.
Mehrfach hat die Hamas Angebote von Präsident Abbas für eine Regierung der nationalen Einheit ausgeschlagen. Mehrfach wurden sogar Attentate auf Abbas im letzten Moment vereitelt, meist aufgrund von Warnungen des israelischen Geheimdienstes. Eines sollte im Frühsommer verübt werden, während Abbas auf dem Weg zu Verhandlungen mit Hanija war. Seit diesem Moment weiß auch Abbas, dass man mit der Hamas nicht wirklich verhandeln kann.
Seit diesem Zeitpunkt hat Präsident Abbas eingewilligt, dass die Fatah von westlichen Militärberatern, insbesondere Amerikanern im Westjordanland, mit Billigung Israels aufgerüstet wurde. Bis dato zählten Hamas und Fatah etwa jeweils 4000 gut ausgebildete Kämpfer. Heute verfügt die Fatah über zusätzliche 8000 Mann, die gut trainiert und bewaffnet sind. Sie wurden in den letzten Wochen mit Hilfe Israels aus dem Westjordanland in den Gaza-Streifen geschleust. Militärisch ist das Abbas-Lager der Hamas also überlegen, aber die Hamas hat noch weite Teile der Straße auf ihrer Seite, und diesen Trumpf setzt sie auch ein.
Der Ausgang des Ringens unter den Palästinensern ist ungewiss. Auch Abbas kann mit der Unterstützung aus dem Volk rechnen. 140 000 Angestellte der Verwaltung warten seit Monaten auf ihr Gehalt, die Lehrer gingen schon auf die Straße, der Mythos von der sozialen Hamas verblasst. Das politische Patt ist vermutlich nur noch militärisch zu lösen. Aber der Gewinner steht schon fest: Mahmoud Abbas, mit Kriegsnahmen Abu Mazen.
Und ein zweiter Gewinner steht auch fest: Israel. Die Regierung Olmert kann zuschauen, wie sich die Palästinenser selber zerfleischen oder in Wahlen für die gemäßigtere Variante optieren.

Artikel vom 20.12.2006