19.12.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Die Bluse kommt
über den Highway

Marc Aurel exportiert in die USA - 300 Kunden

Von Stephan Rechlin
Gütersloh (WB). Jeder Amerikaner gibt rund 681 Dollar pro Jahr für Bekleidung aus. Die Hälfte des 183 Milliarden Dollar schweren Marktes gehört der Damenbekleidung. Die Marc Aurel Textil GmbH aus Gütersloh stellt Damenoberbekleidung her. Also einfach rüber, Filiale öffnen, mitverdienen? »Schon verloren«, sagt Karin Switalla, Exportchefin bei Marc Aurel.

Seit gut einem halben Jahr ist Marc Aurel in den USA am Start. In dieser verhältnismäßig kurzen Zeit konnte das Unternehmen 300 Kunden gewinnen - Einzelhändler und kleinere Kaufhäuser, die Marc Aurel in ihr Sortiment aufgenommen haben. »Das sind doppelt so viele wie erhofft«, sagt Geschäftsführer Wolfgang Sondowsky.
Einen reinen Marc-Aurel-Laden aber gibt es in den USA bis heute nicht. Auch kein Shop-in-Shop wie in Deutschland üblich. Marc Aurel unterhält im gesamten Wilden Westen nicht einen einzigen Showroom, in dem die eigenen Kollektionen im besonderen Ambiente präsentiert werden könnten. Simpler Grund: »Es würde niemand kommen«, sagt Karin Switalla. Zum einen seien die Wege in den USA dafür einfach zu weit. Zum anderen seien es die Händler gewohnt, dass man zu ihnen komme.
Und zwar im Auto. Über den Highway. Sechs Vertriebsprofis haben den amerikanischen Markt unter sich aufgeteilt. Vertriebsprofis wie Stan Shindler, der im voll mit Gütersloher Kleidung beladenen Caravan die Region »Mittlerer Atlantik« abfährt, darunter die Staaten Pennsylvania, New Jersey, Delaware und Washington D.C. Zum Profi wird Stan Shindler vor allem durch seine Kontakte. Er weiß, welche Bekleidungsgeschäfte in einer Stadt, in einem Vorort zu den Trendsettern zählen. In die muss man rein. Wird Marc Aurel dort verkauft, dann klappt es auch anderswo.
Shindler präsentiert die Ware im Auto oder - auf Wunsch - im Laden. »Dann bekommen wir eine Stellwand und ein Dutzend Kleiderbügel. Das wars. Der Händler schaut sich die Kleidung an und entscheidet, ob er etwas in sein Sortiment aufnimmt«, berichtet Karin Switalla, die so manche Meile mitgefahren ist. Es sei, als ob man ganz von vorn anfange: »Marc Aurel kennt in den USA wirklich kein Mensch. Es ist eine unter 15 000 anderen Marken. Wir verkaufen uns nur über unsere Qualität.«
Es hätte noch einen anderen Weg gegeben, einen jenseits der Straße. In einem der gigantischen Modehäuser (»fashion houses«) hätte sich Marc Aurel eine Ladenfläche reservieren können. »Doch dort sind nur große amerikanische Marken vertreten, die ihren Vertrieb auf diese Weise vertiefen. Oder aber landesweite Kaufketten wie Bloomingdales, die hohe Abschläge verlangen, wenn sie uns ins Sortiment aufnehmen würden«, erläutert Sondowsky. Dann lieber mit Stan Shindler über den Highway.

Artikel vom 19.12.2006