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Stimmung in Unternehmen gut

»Boom wie zuletzt 1990« - Steuersystem frisst Einkommenszuwächse auf

Berlin (Reuters). Die Stimmung in der Wirtschaft ist so gut wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr. Trotz der Mehrwert-steuererhöhung legte der Ifo-Geschäftsklimaindex im Dezember überraschend von 106,8 auf 108,7 Punkte zu, wie das Institut für Wirtschaftsforschung (Ifo) gestern in München mitteilte.

Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn sprach von einem »außerordentlich starken Boom wie zuletzt 1990«. Die 7000 befragten Firmen blickten optimistischer auf die kommenden sechs Monate und bewerteten auch ihre Lage besser. »Die Mehrheitsmeinung der Unternehmen ist mittlerweile, dass die Konjunktur nicht abgewürgt wird«, sagte Ifo-Experte Klaus Abberger mit Blick auf die Steuererhöhung zum 1. Januar: »Wir gehen mit Schwung in diese unsichere Phase.«
Der starke Euro und die Konjunkturabkühlung in den USA sorgten ebenfalls nicht für Kopfzerbrechen in den Chefetagen: »Die Exporterwartungen sind weiter glänzend«, sagte Abberger. Die Zuversicht nahm quer durch alle Branchen zu, von der Industrie bis zum Bau. Selbst der seit Jahren von der geringen Kauflaune der Deutschen gebeutelte Einzelhandel fasste wieder Mut, obwohl er von der höheren Umsatzsteuer am stärksten betroffen ist. Nach einer kleinen Delle werde es für die Branche schon im Frühjahr wieder bergauf gehen.
Befragte Volkswirte hatten im Schnitt mit einem unveränderten Geschäftsklima gerechnet. Der Teilindex für die Erwartungen stieg zum dritten Mal in Folge: im November von 100,2 auf 102,5 Punkte. Ihre Lage schätzten die Unternehmen so gut ein wie zuletzt vor 15 Jahren.
Mit dem erneuten Anstieg des wichtigsten Stimmungsindikators verdichten sich die Hinweise auf einen dauerhaften Aufschwung mit hunderttausenden neuen Jobs. Die Bundesregierung schließt ein Wachstum von zwei oder mehr Prozent für 2007 nicht mehr aus. Für 2006 zeichnet sich mit 2,5 Prozent das stärkste Wachstum seit dem Boomjahr 2000 ab. »Der Aufschwung wird bis in das Jahr 2008 robust bleiben«, sagte Holger Schmieding von der Bank of America. DekaBank-Volkswirt Andreas Scheuerle: »Die Unternehmen setzen weiter unverdrossen auf den Aufschwung.«
Nach einer Analyse des Kieler Instituts für Weltwirtschaft fressen »heimliche Steuererhöhungen« in Deutschland Gehaltszuwächse auf. »Trotz der Einkommensteuersenkungen der Jahre 1999 bis 2005 ist die Steuerbelastung deutscher Arbeitnehmer weiterhin so hoch, dass sich zusätzliche Arbeitsanstrengungen kaum lohnen«, sagte IfW-Steuerexperte Alfred Boss gestern. Hauptgrund sei der progressive Einkommensteuertarif.
»So steigt die Steuerbelastung eines ledigen Arbeitnehmers, dessen Monatsgehalt von 2900 Euro lediglich in Höhe der Inflationsrate von 1,5 Prozent wächst, bis 2012 um fast 100 Euro, obwohl die Kaufkraft seines Bruttoeinkommens konstant bleibt«, rechnete Boss vor. »Dies führt dazu, dass sich seine Steuerbelastung bei konstantem Realeinkommen von 18,6 auf 19,9 Prozent erhöht. Steigen alle Löhne um 1,5 Prozent, kann der Staat Jahr für Jahr Steuermehreinnahmen von 2,2 Milliarden Euro verbuchen.«
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Artikel vom 20.12.2006