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Industrie erbost
über Regierung

Höhere Kosten durch Klimaschutz

Berlin (dpa). Die Chefs mehrerer großer Industrie- und Energiekonzerne haben der Bundesregierung im Streit um Klimaschutzauflagen »massiven Vertrauensbruch« vorgeworfen.
»Nach unseren Informationen hat das Bundeskabinett im Wesentlichen den Forderungen der EU-Kommission beim Emissionshandel nachgegeben«, heißt es in einem gestern veröffentlichten Schreiben. Der offene Brief, der von Top-Managern unterzeichnet wurde, richtet sich an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Die Manager fordern die Kanzlerin darin auf, der Entscheidung der Europäischen Kommission entschiedenen Widerstand entgegen zu setzen. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) wies die Kritik zurück.
Gabriel hatte auf Druck der EU-Kommission für die Jahre 2008 bis 2012 den zunächst nach Brüssel gemeldeten zulässigen deutschen Jahresausstoß an Kohlendioxid (CO2) von 482 Millionen Tonnen auf 465 Millionen Tonnen gesenkt. Brüssel verlangt eine weitere Verringerung auf 453 Millionen Tonnen.
Die Manager, darunter der E.ON-Vorstandsvorsitzende Wulf Bernotat, EnBW-Chef Utz Claasen und der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, Bernd Gottschalk, kritisieren in ihrem Brief, das Investitionsklima werde »nachhaltig dadurch belastet, dass die beschlossenen Verschlechterungen der Zuteilung einen massiven Vertrauensbruch der Politik gegenüber den betroffenen Unternehmen darstellen«. Beim Energiegipfel zugesagte und teilweise bereits in Angriff genommene Großinvestitionen würden durch diese Rahmenbedingungen wirtschaftlich in Frage gestellt. Unterbleibende Kraftwerksinvestitionen würden »absehbar zu höheren Strompreisen führen«. Dies werde weitreichende Folgen für die energieintensive Industrie in Deutschland haben. Der Produktionsstandort Deutschland werde dadurch zurückfallen.
Die Wirtschaftsvereinigung Stahl rechnet mit 500 Millionen Euro Zusatzkosten allein für die Stahlindustrie, falls die Pläne der EU-Kommission zum Emissionshandel umgesetzt werden.
Die »Frankfurter Rundschau« berichtet unter Berufung auf SPD-Fraktionskreise, dass Berlin bei den Privilegien für neue Kraftwerke einlenken will. Sie sollen demnach nicht mehr generell von Klimaauflagen befreit sein, sondern Verschmutzungszertifikate nach einem Verfahren zugeteilt bekommen, das Standardwerte für den CO2-Ausstoß von Kohle- und Gaskraftwerken festlege und moderne Anlagen besser stelle. Gabriel sagte zu den Auseinandersetzungen über eine Befreiung von Klimaauflagen für neue Anlagen: »Die Kommission hält das für eine Wettbewerbsverzerrung gegenüber anderen Mitgliedstaaten. Und von daher wird es schwierig sein, an dieser Stelle mit der Kommission einig zu werden.«

Artikel vom 18.12.2006