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Wort zum Sonntag

Heute von Pfarrerin Kirsten Potz

Pfarrerin Kirsten Potz ist Beauftragte für Öffentlichkeitsarbeit im Kirchenkreis Halle, lebt in Versmold.

Eigentlich war es eine Schnapsidee, ein spontaner verrückter Einfall. Als ich nach Weihnachten mit dem Tannenbaum endlich auch den Adventsstrauß aus dem Flur entsorgen wollte, war er mir zum Wegwerfen viel zu schade. Er nadelte kaum und, was viel schwerer wog, die zwischen die dunkelgrünen Tannenzweige gesteckten roten Stängel vom Hartriegel hatten bereits ausgeschlagen. Zarte Blättchen entfalteten sich tapfer zu einer Jahreszeit, da sie noch im Winterschlaf liegen sollten.
In der vergangenen Woche hatte ich beobachtet, wie sich zudem auch noch zuerst kleine Knospen gebildet hatten, die mittlerweile auch schon aufgeblüht waren. Feine weiße Blüten, das frische Frühlingsgrün - so sieht sonst mein Strauß aus, den ich ein paar Tage vor dem Osterfest ins Haus hole und schmücke. Gedacht, getan. Ich lief in den Keller und öffnete die Kiste mit den Ostersachen. Bald schaukelten neben Engeln, Schneemännern und Weihnachtssternen auch Osterhasen, gelbe Küken und bunte Eier in den Zweigen.
Die Familie staunte nicht schlecht über den Ressourcen schonenden Vierjahreszeitenstrauß. Die heranwachsenden Kinder belächelten milde Mutters verrückte Einfälle. Aber dann wurde diskutiert. Weihnachten und Ostern - gehört das nicht tatsächlich zusammen? Diese zentralen Ereignisse im Leben Jesu liegen zwar etwa 33 Lebensjahre auseinander, aber sie markieren die Bedeutung Jesu. In vielen christlichen Kunstwerken sind Krippe und Kreuz miteinander verbunden, sogar bei manchen Künstlern aus einem Holz geschnitzt. Krippe und Kreuz symbolisieren Armut und Leiden. Die Erzählung vom Stall und von der Krippe will sagen, dass Gott sich nicht zu schade ist, sich mit uns Menschen zu verbinden, in was für Umständen auch immer wir leben.
Am Kreuz wird deutlich, dass Gott diese Verbindung zu uns unter allen Umständen aufrechterhält: Jesus leidet an uns, aber auch mit uns und sogar für uns. Und Ostern sagt dann: Der Tod Jesu am Kreuz ist nicht das Scheitern dieses Menschen Jesus, sondern Gottes Ja zu diesem Menschen, seine Bestätigung: »Das ist mein Sohn!«, seine Verheißung auf neues Leben für jeden, der sich ihm anvertraut. Krippe und Kreuz, Ostern und Weihnachten - sie gehören zusammen. Weihnachten wäre ohne Ostern nur ein kitschiges Fest, wenn es denn überhaupt in Erinnerung geblieben wäre ohne die restliche Lebensgeschichte Jesu. Und Karfreitag wäre ohne Weihnachten nicht zu begreifen. Da stirbt dann nur irgendeiner wie so viele andere, nicht der, in dem Gott selbst zur Welt kam und ein menschliches Gesicht annahm.
Die Engel in meinem bunten Strauß gehören übrigens auch in beide Geschichten. »Fürchte dich nicht!«, sagen sie zu Maria, zu Joseph, zu den Hirten, zu den weinenden Frauen am Grab. Denn Gott ist zu dir gekommen, der Barmherzige, der Gnädige, der Auferstandene, der Lebendige.
Meinen Weihnachts-Oster-Strauß habe ich inzwischen doch entsorgt. Aber fotografiert habe ich ihn. Damit ich gelegentlich daran denke: Gott ist bei mir.

Artikel vom 27.01.2007