16.12.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Wort zum Sonntag

Heute von Pfarrer i. R. Hans-Martin Weber

Hans-Martin Weber ist evangelischer Pfarrer im Ruhestand (früher Theesen). Er wohnt in Werther.

Um das Geschehen im Stall ranken sich viele Geschichten, die nicht in der Bibel stehen, aber manchmal einen zum Nachdenken anregenden Hintergrund haben.
Wie diese Geschichte über die Hirten:
Sie waren zum Stall nach Bethlehem gekommen. Wahrscheinlich hatten sie kleine Geschenke mitgebracht. Etwas, das ihnen gerade so in die Finger kam. Vom Stall weggegangen sind sie aber bestimmt mit leeren Händen. Nur ein kleiner Hirtenjunge hat etwas mitgenommen von der Krippe und ganz fest in der Hand gehalten. Die anderen haben zunächst nichts gemerkt. Aber dann fragt ihn doch einer: »Sag mal, was hast du denn da in der Hand?«
»Einen Strohhalm«, sagt der Hirtenjunge, »aus der Krippe, in der das Kinde gelegen hat.« - Die anderen lachen: »Das ist doch nur Abfall. Wirf es weg.« Aber er schüttelt nur den Kopf. »Nein, den behalte ich. Für mich ist es ein Zeichen für das Kind. Er wird mich an das Kind erinnern und daran, was die Engel von dem Kind gesagt haben.«
An einem der nächsten Tage fragten die anderen Hirten ihn: »Hast du den wertlosen Strohhalm etwa immer noch? Mensch, wirf ihn weg!« - »Nein, der ist nicht wertlos. Das Kind Gottes hat darauf gelegen.« - »Na und«, lachen die anderen, »das Kind ist wertvoll, aber nicht das Stroh.«
»Mag sein, dass es wertlos ist, aber worauf hätte das Kind denn wohl sonst liegen sollen - arm wie es ist? Mir zeigt das Stroh: Gott braucht das Kleine, das Wertlose. Gott braucht uns, die Kleinen, die nicht viel können, uns Hirten, die in den Augen der anderen nicht viel wert sind.«
Weil der Strohhalm dem Hirtenjungen so wichtig ist, nimmt er ihn immer wieder in die Hand und denkt an die Worte des Engels. Er freut sich darüber, dass Gott die Menschen so lieb hat, dass er klein wurde wie sie. Eines Tages nimmt ihm einer der Hirten den Strohhalm weg und schreit wütend: »Du machst mich mit deinem Stroh noch ganz verrückt!« Er zerknickt den Halm und wirft ihn auf die Erde. Der Hirtenjunge hebt ruhig den Strohhalm auf, streicht ihn glatt und sagt zu den anderen: »Seht! Er ist geblieben, was er war: ein Strohhalm!«
So weit die Geschichte. Sicher ist es leicht, einen Strohhalm zu knicken. Und vielleicht denken wir manchmal: Was ist schon ein Kind? Gott in einer Krippe - was haben wir davon? Einen starken Helfer brauchen wir, der endlich die Welt in Ordnung bringt. Doch aus dem Kind in der Krippe wird ein Mann, und der ist nicht tot zu kriegen. Der wird die Wut der Menschen aushalten, ertragen und bleiben was er ist: Gottes Retter für uns. Gottes Liebe ist nicht klein zu kriegen.
Vergesst das nicht!

Artikel vom 16.12.2006