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Entbehrungen für die Menschlichkeit

Schauspieler Christian Kohlund brilliert in der Hauptschule als Anwalt Clarence Darrow

Versmold (ja). »Sie können nicht gegen alles Böse in der Welt ankämpfen«, versuchte Albert Finney der engagierten Anwältin Erin Brokovich im gleichnamigen Drama klarzumachen. Nicht gegen alles, aber gegen viel Böses in der Welt kämpfte dagegen Clarence Darrow, dessen fesselnde Lebensgeschichte am Sonntagabend von Christian Kohlund umgesetzt wurde.

Clarence Darrow erzählt, und wenn er erzählt, klingt es, als würde er ganz nebenbei sein Leben Revue passieren lassen. Aber es ist die Ironie, die Christian Kohlund dem Hauptcharakter im Ein-Personen-Stück »Im Zweifel für den Angeklagten« verleiht und die das Stück weitaus tiefgründiger macht, als man es zuerst annimmt.
Basierend auf Irving Stones »Clarence Darrow für die Verteidigung« ist die wahre Geschichte über den US-Strafverteidiger, der sich als einer der wenigen getraut hat, sich gegen die konservativen Vereinigten Staaten und für Recht und Freiheit auszusprechen. Darrow blickt in dem Stück in sein Leben zurück - und das an einem Schauplatz, der gleichzeitig sein ganzes Leben widerspiegelt. Kohlund schafft es hervorragend, die Zuschauer hinters Licht zu führen und Darrow den Charakter eines faulen, unbekümmerten Durchschnittsamerikaners zu verleihen, was sich aber im Laufe des Stückes deutlich verändert.
Der Zufall spielt in seinem Leben eine große Rolle: Durch ihn gelangt er zum Beruf des Anwalts, und durch ihn verschlägt es ihn nach Chicago und nach Los Angeles. Nach und nach beginnt Darrow aber, aufmerksam zu werden auf die Ungerechtigkeiten, die sich in den späten Jahren des 18. Jahrhunderts in den USA abspielen. Er beginnt, sich für die Armen, die Rechtlosen und auch die Schuldigen einzusetzen und geht damit selbst das Risiko ein, von der Gesellschaft missachtet zu werden. »Kein anderes Begehen wird so hart bestraft, wie das Begehren, den Unterdrückten helfen zu wollen!«
Christian Kohlund verleiht dem Charakter den beißenden Sarkasmus und den Hass in der Stimme, den er so dringend benötigt, damit das Stück glaubwürdig wird. Clarence Darrow ist kein Musterbeispiel an Anstand und Tugend, aber ganz sicher eines an Überzeugung und Menschlichkeit. Er machte sich in dem berühmten »American Railway Union«-Prozess einen Namen als Verteidiger der Gewerkschaften sowie als hartnäckiger Verteidiger im sogenannten »Affenprozess« gegen die Verbreitung der darwinistischen Evolutionstheorie.
Diese Szene wurde besonders humorvoll dargestellt durch Darrow, der im Kreuzverhör die Bibel sarkastisch wörtlich nimmt und die Argumente seines Gegners dadurch entkräftet. Durch all seine Prozesse zog sich ein roter Faden: »Ich praktiziere als Anwalt meistens auf der Seite der Schwachen, manchmal auf der Seite der Starken, aber niemals auf der Seite der Starken gegen die Schwachen«.
Die Frage, die sich die Zuschauer in der vollbesetzten Hauptschulaula stellten, lautete: Warum entscheidet er sich gegen Reichtum, Anerkennung und ein bequemes Leben und für Entbehrung, Verachtung und Selbstzerstörung? In Clarence Darrow steckt der Einfluss seiner Eltern, »Freidenker«, wie er sie nennt. Am Ende seines Lebens blickt er zurück, und er hat es nicht nur geschafft, alle seine Klienten vor dem Strang zu bewahren, sondern auch, ein leuchtendes Beispiel für die Menschlichkeit in den Vereinigten Staaten zu setzen.
Die faszinierten Zuschauer gaben ihrerseits Standing Ovations für den aus zahlreichen Theater- und Filmproduktionen bekannten Schauspieler Kohlund, der bereits im In- und Ausland vielfach Beachtung fand.

Artikel vom 12.12.2006