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»Mein warmes Nest ist Werther«

Pfarrerin Christa-Marlene Staschen (62) wird in Altersteilzeit verabschiedet

Werther (dh). »Ich wollte nie Pfarrerin werden«, sagt Christa-Marlene Staschen. »Ich habe liebend gerne meinen Beruf als Industriekauffrau ausgeübt und hatte das typische Bild vom männlichen Theologen.« Doch es kam anders. In den vergangenen 25 Jahren war die 62-Jährige Pastorin aus Leidenschaft.

Im Gottesdienst am kommenden Sonntag, 10. Dezember, um 9.45 Uhr wird Christa-Marlene Staschen in den passiven Teil ihrer Altersteilzeit verabschiedet. Doch Schluss ist dann noch lange nicht. »Ich bin bis Ende des Jahres noch voll am Ball«, sagt die Pfarrerin.
Es ist ein Abschied auf Raten. Mitte November hat die Wertheranerin das Pfarrhaus in der Tiefenstraße geräumt, hat es sich auf dem Hof Tobusch gemütlich gemacht. Am Mittwoch die letzte Adventsfeier als Pastorin mit der Frauenhilfe (wir berichteten), am Sonntag die große Verabschiedung mit der Gemeinde. »Ich werde keine Abschiedspredigt halten«, stellt die Pfarrerin klar. Der zweite Advent werde das Thema sein, denn die letzte Predigt sei es für sie schließlich nicht.
So wird Christa-Marlene Staschen ihre »Schützlinge« noch zur Konfirmation im kommenden Jahr führen, wird die Sanierung des Friedhofs bis zum Ende begleiten. Auch in der Altersteilzeit will sie Gottesdienste besuchen, am Gemeindeleben teilnehmen. »Aber ich werde mich zurückhalten, das ist wichtig für meinen Nachfolger«, betont sie.
Vor einem Jahr war es für die Theologin noch gar nicht klar, ob sie in Werther bleiben würde. Berlin, Bielefeld oder Halle lauteten die Alternativen. Doch: »Ich habe in den vergangenen Jahren immer wieder gespürt, wie wertvoll die Wertheraner sind. Sie sind handfest und stehen zu ihrem Wort«, sagt Staschen. Als ihre Ehe 1982 geschieden worden sei - damals noch eine echte Seltenheit - habe die Gemeinde zu ihr gestanden. Eigentlich wollte Christa-Marlene Staschen mit ihrem Mann nur zwei Jahre in der Böckstiegelstadt bleiben, um dann nach Amerika auszuwandern. Doch heute weiß sie: »Mein warmes Nest war und ist immer in Werther.«
»Gott hat das so geführt«, sagt Christa-Marlene Staschen über ihr Leben. Aufgewachsen in einer gläubigen Familie (der Vater war Presbyter, die Schwester ist es heute), hat ihr vor allem die Großmutter immer viele »Geschichten von Gott« erzählt. »Ich fühle mich geborgen und gut aufgehoben bei Gott«, sagt die Pastorin. Nicht nur, weil sie Pastorin ist, sondern weil sie sich von Gott gehalten fühlt. »Der Glaube trägt. Wir müssen den Glauben wieder intensiver leben«, sagt sie mit Blick auf die Zukunft der Kirche. Christen müssten erkennbar sein.
Nur einmal im Leben hat auch Christa-Marlene Staschen an Gott gezweifelt: »Als meine Mutter nach einem Verkehrsunfall im Alter von nur 49 Jahren starb«, erzählt sie. Seitdem lebt die 62-Jährige jeden Tag so, als sei er der letzte. »Im Heute zu leben, das war mir immer wichtig«, betont die Theologin.
Wünsche? »Ich bin wunschlos glücklich«, kann die Pastorin über sich sagen und sich auf die Altersteilzeit freuen. Angst vor dem Alleinsein habe sie dabei nicht. »Ich habe viele Freunde.« Ein Stückchen Neugier bleibt dennoch: »Ich bin gespannt, wie sich der Ruhestand anfühlt.«

Artikel vom 08.12.2006