08.12.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Gewalt ist da -
und nimmt zu

Das WB hakt in den Schulen nach

Von Annemarie Bluhm-Weinhold
Steinhagen (WB). »Wir sind hier keineswegs eine Insel der Glückseligkeit«, sagt Realschulleiter Klaus Bißmeier. Gewalt, Streit und Mobbing unter Schülern sind auch an Steinhagens Schulen vorhanden - nicht dramatisch, wie Gymnmasiums-Direktor Josef Scheele-von Alven sagt, aber durchaus auch mit zunehmender Tendenz.

Vor dem Hintergrund des Angriffs einer Gang von Kindern und Jugendlichen auf zwei 16 Jahre alte Jungen am vergangenen Freitag (wir berichteten exklusiv) und befürchteten Amokläufen in Baden-Württemberg fragte das WESTFALEN-BLATT an Haupt- und Realschule und im Gymnasium nach.
Insgeamt stimme das Klima in den Klassen. Aber Außenseitertum und Mobbing seien natürlich Thema: »Wer sagt, dass es das bei uns nicht gibt, der lügt«, berichtet Josef Scheele-von Alven allein von zwei Mobbing-Fällen, die er selbst als heftig bezeichnet, innerhalb des vergangenen halben Jahres. »Wir Lehrer suchen dann sofort das Gespräch mit den Eltern, das häufig schwierig ist. Denn die Eltern der Mobber sind meist nicht kooperativ«, schildert der Direktor die langwierigen Auseinandersetzungen.
Am Gymnasium ebenso wie an den anderen beiden weiterführenden Schulen gibt es auch Kurse und Programme quasi präventiv zur Stabiliserung der Klassengemeinschaft oder - wie an der Realschule - als akute Notfallhilfe, als Klassentraining, wenn der Zusammenhalt nicht stimmt. »Natürlich sieht unser Erziehungskonzept Regeln und Vorgehensweisen gegen gewalttätige Schüler vor«, erklärt Klaus Bißmeier. »Wir reagieren sofort.« Wer Gewalt anwende, werde umgehend der Klasse verwiesen und müsse von den Eltern abgeholt werden. Es folgten Gespräche und pädagogische Maßnahmen - und Strafen sind durchaus auch am Samstagvormittag »abzusitzen«. Mitunter fehle es noch an durchgehender Konsquenz, beklagt Bißmeier. Aber die Maßgabe sei klar: »Wir wollen keine Gewalt in der Schule.«
Ganz verhindern lässt sie sich aber auch zwischen den Schulen offenbar nicht: So kam es in der vorvergangenen Woche zu einer Schlägerei zwischen Hauptschülern und Schülern der zehnten Klasse des Gymnasiums. Gewaltbereitschaft ist eindeutig da - »auch wenn wir sehr rigoros gegen sie vorgehen«, erklärt Schulsozialarbeiter Wilhelm Mesker. Es gebe da einige Kandidaten, die man stets im Auge behalten müsse: »Wir lassen da nichts anbrennen.«
Dass es am Schulzentrum zu so schrecklichen Taten wie in Emsdetten oder Erfurt kommen könne, das kann er sich nicht vorstellen: »Denn wir gucken nicht weg. Wenn wir merken, dass sich jemand überall entzieht oder immer stiller wird, dann suchen wir sofort das Gespräch«, so Mesker. Und auch Rektor Hans-Bernd Grewe bestätigt den Klassenlehrern ein hohes Maß an Sensibilität, Entwicklungen zu erkennen, die gefährlich ins Außenseitertum oder in zunehmende Aggression umschlagen könnten. »Ein Amoklauf oder Suizid wie in Baden-Württemberg ist nur möglich, wenn ein junger Mensch niemanden hat, mit dem er bei Problemen sprechen kann und der ihm hilft«, so Mesker. Er schaffe sich dann seine eigene Welt - möglicherweise noch befördert durch Gewaltspiele und amerikanische Filme, die zuhauf Vergeltung und Rachefeldzüge propagierten.

Artikel vom 08.12.2006