15.12.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Eltern sollten
wissen, was ihre
Kinder spielen und
Gewaltsspiele im
Kinderzimmer
nicht dulden.«

Leitartikel
Verbot von »Killerspielen«

Es gibt keine
einfachen
Lösungen


Von Thomas Lunk
Der Amoklauf von Erfurt und die schrecklichen Ereignisse an der Geschwister-Scholl-Schule in Emsdetten lassen uns entsetzt und betroffen zurück. Und rufen die Aktionisten auf den Plan, die mit Schuldzuweisungen schnell bei der Hand sind und lautstark einfache Lösungen fordern.
Rasch ist der »Buhmann« ausgemacht. Die Diskussion um ein Verbot so genannter »Killerspiele« erstickt die dringend notwendige Auseinandersetzung mit den wirklichen Ursachen der Gewaltausbrüche: mit sozialer Verwahrlosung und gesellschaftlicher Ausgrenzung einzelner Jugendlicher.
Dafür gibt es keine einfachen Lösungen, kein schnell gezimmertes Gesetz, das ohnehin nicht zu kontrollieren wäre und somit nur die Autorität des Gesetzgebers schwächen würde. Es gilt, Aufklärung gegen Dummheit zu setzen, den Eltern die Kompetenz für den Umgang mit den neuen Medien zu vermitteln, den Jugendlichen eine Perspektive als Teil dieser Gesellschaft zu geben und ihnen Werte abseits von Statussymbolen und Medienrummel zu vermitteln.
Dazu müssen Schulen, Vereine und Organisationen ihren Teil beisteuern - am Ende aber sind eindeutig die Eltern gefordert. Wer sich keine staatliche Erziehung wünscht, muss begreifen, dass sich im Verhalten der meisten Jugendlichen auch Fehler, Fähigkeiten und Einsatz der Eltern widerspiegeln. Der Staat sollte überforderten Eltern Hilfe anbieten, kann ihnen aber nicht die Erziehungsarbeit abnehmen.
Bayerns Innenminister Günther Beckstein will Herstellung und Vertrieb von »Killerspielen« (was ist das eigentlich genau?) verbieten und bereits den Besitz mit Gefängnisstrafe ahnden; sein niedersächsischer Amtskollegen Uwe Schünemann (CDU) legt noch nach. Wer entscheidet in Zukunft, was erwachsene Menschen spielen dürfen? Was sie lesen oder im TV sehen?
Der Jugendschutz hingegen braucht die Debatte um schützenswerte Werte und muss sich auch die Frage gefallen lassen, ob er seine Mittel richtig einsetzt. Sicherlich hätten mehr Spiele den Stempel »Keine Jugendfreigabe« verdient. Und manchen Film, der zur besten Sendezeit über den Bildschirm flimmert, sollte kein Kinderauge sehen. Die gesetzlichen Grundlagen aber sind ausreichend.
Seit 2003 erfolgt die Alterskennzeichnung von Computerspielen durch die Oberste Landesjugendbehörden - auf Empfehlung unabhängiger Sachverständiger in den Prüfgremien der »Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle« (USK). Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften kann Computerspiele zudem indizieren. Bereits heute stellt der Paragraph 131 Strafgesetzbuch die Verbreitung gewaltverherrlichenderer Spiele unter Strafe.
Was wir brauchen, sind nicht neuen Gesetze, sondern die konsequente Anwendung bestehender Vorschriften, nicht Bevormundung der Erwachsenen, aber tätigen Jugendschutz. Nicht Polizisten im Kinderzimmer, sondern Eltern, die wissen, was ihre Kinder spielen, und die sich mit ihnen auseinandersetzen -Ê Eltern, die »Killerspiele« im Kinderzimmer nicht dulden.

Artikel vom 15.12.2006