08.12.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Vor Freude über das Stipendium
»durch die ganze Stadt getanzt«

Enock, der »willensstarke« Waisenjunge, macht seinen Weg in Malawi

Aus Malawi berichtet
Jürgen Pothmann
Mulenga (WB). Es sind solche Geschichten wie die von Enock Foster, die beim Kampf gegen Armut Hoffnung geben. Der 22jährige macht heute Kindern und Erwachsenen in seiner Heimat Mut. Er zeigt ihnen, dass sie eine Chance haben, ihren bitterarmen Verhältnissen zu entkommen. »Enock« bedeutet »willensstark«.
Mit Hilfe von World Vision hat Enock seinen Weg gemacht. Von der Dorfschule kam der Klassenbeste zur Universität in Blantyre/Malawi.
Enock Foster (22) kann in vier Jahren Apotheker sein: Ohne Eltern und in bitterer Armut aufgewachsen hat er dennoch sein großes Ziel fast erreicht. Auch Afrikas Kinder haben Chancen, man muss sie nur gewähren.

Enock stammt aus dem Dorf Mulenga, eine kleine Ansammlung von Lehm- und Backstein-Häuschen inmitten grüner Hügel - das Tee-Anbaugebiet Malawis. Enock ist der Jüngste von drei Kindern. Der Vater stirbt früh. Allein mit drei Kindern versucht Enocks Mutter die Familie durchzubringen. »Wir waren immer am Rande des Hungerns«, erzählt Enock. »Die Kosten für die Schule konnte meine Mutter nicht aufbringen, und ohne Schuluniform und Lernmaterial musste mein älterer Bruder die Schule abbrechen.«
Noch hoffnungsloser wird Enocks Situation, als auch seine Mutter stirbt. »Wir können nicht sagen, dass Sie an Aids gestorben ist«, erklärt Enock. »Sie ist gestorben, weil sie krank war.«
Um überleben zu können, geht sein ältester Bruder in die 40 Kilometer entfernte Stadt Blantyre, verdient dort ein wenig Geld als Straßenverkäufer und versorgt so Enock und die Schwester im Heimatdorf Mulenga. Das »kleine Glück« währt nicht lange. Nach einem Jahr stirbt auch Enocks ältester Bruder. Enock und seine Schwester sind auf sich allein gestellt.
Als einzigen Ausweg lässt sich Enocks Schwester auf eine Heirat ein. Sie ist gerade 14 Jahre alt. Ihr Ehemann will sich allerdings nicht um Enock kümmern. Deshalb zieht Enock zu seiner Tante, die jedoch ihre eigenen Sorgen hat und sich kaum um Enock kümmert. Auch dank finanzieller Hilfe aus Deutschland, über die Hilfsorganisation World Vision hat Enock die Möglichkeit, zur Schule zu gehen. Die Njale-Grundschule ist auch der Ort, an dem sich Enocks Leben ändert.
»Enock war immer ein guter Schüler«, erzählt seine Lehrerin aus der achten Klasse. Stolz zeigt sie die »Bücherei«, ein acht Quadratmeter kleiner Raum ohne Licht. Aus den groben Holzregalen hat sich Enock regelmäßig Bücher genommen. »Er hat viel gelesen, und das hat ihm gut getan«, sagt seine Lehrerin.
Enocks hervorragendes Allgemeinwissen fällt bei einem Quiz-Wettbewerb in der Schule auf. Die internationale Hilfsorganisation World Vision, die seit 1999 umfangreiche Entwicklungszusammenarbeit in der Region Malawis leistete, hatte an den Grundschulen solche Quiz-Wettbewerbe eingeführt, um Mädchen und Jungen zum Lernen zu motivieren.
Enock war der Quiz-Beste. World Vision wurde aufmerksam und unterstützte ihn unter anderem mit Lernmaterial und bei den Schulgebühren. »Nur so konnte ich es mir leisten, nach der Grundschule noch die weiterführende Schule zu besuchen«, sagt Enock.
Die Willensstärke, die Enock in seinem Namen trägt, zieht er aus der Liebe zu Freunden und Heimat. »Ich habe gesehen, dass immer mehr Menschen in unseren Dörfern unter HIV und Aids leiden. Deshalb habe ich beschlossen, zu helfen. Ich möchte Apotheker werden.«
Um seinen ehrgeizigen Plan umzusetzen, nimmt Enock Nebenjobs an, hilft bei Nachbarn im Garten, verkauft Gemüse auf der Straße und lernt nebenbei ehrgeizig weiter für die Schule. In der Abschlussprüfung holt er 13 Punkte und hat damit die Chance, sich für einen Studienplatz zu bewerben. In der Stadt Blantyre geht »der Willensstarke« zur Aufnahmeprüfung für die Universität. »Ich habe schließlich im Radio gehört, dass ich zu den Auserwählten zähle, die ein Stipendium bekommen und zur Uni gehen können. Ich bin vor Freude durch die Stadt getanzt.«
Heute ist Enock Student der Pharmazie. Stolz zeigt er das Uni-Gebäude und die Bücherei, die im Gegensatz zu der »Bücherei« an seiner Grundschule Licht, Sitzecken und umfangreiche Bücherregale hat. »Immer wenn ich zurück zu meiner Grundschule in Mulenga gehe, spüre ich eine große Dankbarkeit«, sagt Enock. Für die 1000 Mädchen und Jungen dort ist er ein kleiner Held. Sie kennen seine Erfolgsgeschichte und hoffen, auch eines Tages zur Uni gehen zu können.
World Vision Deutschland unterstützt die Schüler und deren Familien in der Region mit vielen Maßnahmen: Kinder bekommen Schuluniformen, Schreibmaterial und Bücher. Bauern erhalten Unterstützung bei der Landwirtschaft, so dass die Kinder weiterhin zur Schule gehen können.
Lokale World Vision-Mitarbeiter versorgen die Dorfbewohner mit sauberem Trinkwasser, Medikamenten, leiten an und leisten wichtige AIDS-Aufklärung.
Auch Pharmazie-Student Enock beteiligt sich an der Aids-Aufklärung. Er geht in die Dörfer, sagt den Männern, Frauen und Kindern wie sie sich vor dem HI-Virus schützen können und empfiehlt Schnelltests in einem der speziell eingerichteten Testzentren.
Enock: »Ich hoffe, dass ich in vier Jahren mein Studium abschließe und Apotheker bin. Und ich wünsche mir, dass noch viele andere Kinder die Chance auf ein besseres Leben haben.«

Artikel vom 08.12.2006