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Einigen gelang
der Ausbruch

Kriegsgefangene auf Schloss Colditz

Arte, 20.40 Uhr: Während des Zweiten Weltkriegs waren auf Schloss Colditz bei Leipzig alliierte Offiziere als Kriegsgefangene inhaftiert. Die Dokumentation »Die Unbeugsamen« erinnert an die Ausbruchsversuche und zeigt die Geschichte dieses außergewöhnlichen Ortes.

Auf dem Schloss waren die Kriegsgefangenen, die schon einmal aus einem anderen Gefangenenlager ausgebrochen waren. So wurde das Schloss zum vermeintlich sichersten Offiziersgefangenlager. Trotzdem unternahmen die alliierten Offiziere aus Großbritannien, dem Commonwealth, Frankreich, Belgien, Holland und Polen 120 Ausbruchsversuche, von denen 31 erfolgreich waren und ins Heimatland führten. Der Dokumentarfilmer Michael Wulfes hat die »Flucht aus Hitlers Elitengefängnis« thematisiert.
Unter der Bezeichnung »Oflag IVC« galt das Lager als ausbruchssicher. Steil abfallende Felsen, Stacheldraht, zahlreiche Wachposten und Scheinwerferbestrahlung sollten alle Fluchtversuche vereiteln. Doch schon am 12. April 1941 gelang es dem französischen Leutnant Alain Le Ray, zu fliehen. Nachdem er sich im Keller eines Luftschutzbunkers versteckt hatte, kletterte er über den Parkzaun und verschwand. Am Ende erreichte er sicher die Schweiz.
Jede Nation hatte ihren Fluchtoffizier, für die Briten war es Pat Reid, der später das Buch »The Colditz Story« schrieb. Als König der Ausbrecher galt der britische Oberleutnant Mike Sinclair, der mehrfach flüchtete und es sogar bis zur niederländischen Grenze schaffte. Bei seinem letzten Versuch 1944 wurde er erschossen.
Zu den prominentesten Insassen von Colditz gehörte Winston Churchills Neffe Gilles Romilly, der seine Erlebnisse später in dem Buch »Hostages of Colditz« beschrieb. Prominente wie er dienten Hitler als Faustpfand und gaben dem Schloss eine kriegswichtige Bedeutung. Viele der inhaftierten Offiziere entpuppten sich als hoch motivierte Ausbrechergenies. Es wurde gestohlen, gefälscht und geschmuggelt, um die deutschen Wachen zu überlisten. Gefangene verkleideten sich, gruben einen Tunnel, bauten eine Funkstation und sogar einen flugbereiten Gleitflieger.
Die Männer von der deutschen Abwehr versuchten mit immer neuen Methoden, die Gefangenen am Ausbruch zu hindern. Die Fluchtversuche wurden für Ausbildungszwecke fotografiert und sind in dem TV-Film zu sehen. In Großbritannien wurden die Geschichten der Ausbrecher von Colditz durch zahlreiche Bücher, Filme und Fernsehsendungen am Leben erhalten. Für das deutsche Fernsehen hat Filmautor Wulfes sich mit englischen und französischen Veteranen als Zeitzeugen getroffen, das heute fast unveränderte Schloss besucht und dort mit zwei ehemaligen deutschen Bewachern gesprochen.

Artikel vom 06.12.2006