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Politikstunde beim Hausarzt

Erst informieren, dann behandeln - Praxen aus Protest geschlossen

Von Ernst-Wilhelm Pape
Bielefeld (WB). Aus Protest gegen die geplante Gesundheitsreform sind gestern mehr als die Hälfte der 30 000 Arztpraxen in Nordrhein-Westfalen geschlossen geblieben. Auch Apotheken und Kliniken schränkten ihren Betrieb ein.
Großdemonstration in Bielefeld: Kinderarzt Dr. Christian Weisshaar (49) mit Protestplakat beim Marsch durch die City. Foto: Carsten Borgmeier
Die Ärzte kündigten gestern eine Ausweitung der Proteste an. Außer regionalen Praxisschließungen von bis zu einer Woche (diese Zeitung berichtete) sollen die Patienten regelmäßig vor jeder Behandlung über die Auswirkungen der Gesundheitsreform informiert werden.
Diese »Politikstunde in der Arztpraxis« hat gestern der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe Dr. Theodor Windhorst (Bielefeld) angekündigt. Bevor ein kostenpflichtiges Rezept ausgestellt werde, werde Politik kostenlos verschrieben, sagte Windhorst dieser Zeitung. Die Patienten müssten über die bevorstehenden Einschränkungen in der Behandlung und neue finanzielle Belastungen unterrichtet werden. »Wir wagen mit den Patienten gemeinsam den zivilen Ungehorsam«, sagte der Ärztepräsident gestern Nachmittag vor mehr als 1500 Mitarbeitern der Gesundheitsberufe in der Stadthalle Bielefeld. Das geplante Gesetz müsse gestoppt werden.
Zuvor waren unter anderem Hausärzte, Krankenhausärzte, Zahnärzte, Arzthelferinnen, Apotheker, Psychotherapeuten und Patienten in einem 300 Meter langen Protestzug vom Bielefelder Rathaus zur Stadthalle gezogen. Sie protestierten laustark an diesem bundesweiten Aktionstag unter dem Motto »Patient in Not« gegen die geplante Gesundheitsreform. Bundesweit blieben tausende Arztpraxen und Apotheken geschlossen. Zu dem Aktionstag hatte ein Bündnis von mehr als 40 Organisationen aus dem Gesundheitsbereich aufgerufen.
In Westfalen-Lippe hatten nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe 70 bis 80 Prozent der Praxen entweder geschlossen oder führten Informationskampagnen für ihre Patienten durch. Die größte Demonstration in Westfalen-Lippe fand in Bielefeld statt.
NRW / Seite 4 : Leitartikel

Artikel vom 05.12.2006