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Syrien soll die Hisbollah stoppen

Steinmeier-Appell an Assad - Lage in Beirut hat sich weiter verschätft

Damaskus/Beirut(dpa/
Reuters). Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat Syrien zu einer konstruktiven Rolle auf dem steinigen Weg für mehr Frieden und Stabilität im Nahen Osten aufgefordert.

»Die Region befindet sich in einer schwierigen Übergangsphase und ist alles andere als stabil«, sagte Steinmeier gestern nach einem Gespräch mit Staatschef Baschar al-Assad in Damaskus.
Das Treffen mit Assad dauerte mit zwei Stunden doppelt so lange wie geplant. Es sei ein »offenes und direktes« Gespräch gewesen, verlautete aus Delegationskreisen. Im Mittelpunkt hätten die Konfliktherde im Irak, dem Libanon sowie der israelisch-palästinensische Konflikt gestanden. Steinmeier appellierte an Syrien, mäßigend auf die radikalislamische Hisbollah im Libanon einzuwirken. Syrien müsse seinen Einfluss nutzen, um die Demonstrationen gegen die Regierung in Beirut zu beenden, sagte er nach Angaben aus Delegationskreisen. Der Minister forderte das Land auf, »alles zu unterlassen, was direkt und indirekt zu einer Destabilisierung des Libanon führen könnte«.
Steinmeier bezeichnete Syrien als einen »wichtigen Akteur« in der Region, und er wünsche sich, dass das Land eine konstruktive Rolle im Nahen Osten spiele. »Dafür braucht es Mut und Weitsicht.« Wenn Syrien diesen Weg gehe, habe das Land in Deutschland einen Partner.
Für den Libanon und dessen innere Stabilität seien auch eine politische Teilhabe und eine rechtsstaatliche Entwicklung notwendig, sagte Steinmeier bei einem Gespräch mit seinem Amtskollegen Walid al-Muallem.
Al-Muallem versicherte, Syrien mische sich nicht in die inneren Angelegenheiten Libanons ein. »Im Gegenteil: Die Sicherheit und die Stabilität des Libanons sind auch die Sicherheit und die Stabilität Syriens.« Er bekräftigte zudem, Damaskus erkenne die Souveränität und die Unabhängigkeit Libanons an. Auch der Aufnahme diplomatischer Beziehungen steht nach den Worten Al-Muallems »im Prinzip« nichts im Wege. Allerdings müsse dazu im Libanon eine »angemessene, brüderliche« Atmosphäre herrschen.
Mit Blick auf die laufenden UN-Ermittlungen zum Mord am ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri im Februar 2005 sagte Al-Muallem: »Wir sind nicht besorgt und haben auch keine Angst.« Zugleich signalisierte er Bereitschaft zur Kooperation mit dem derzeitigen UN-Ermittler Serge Brammertz. In den Ermittlungen gibt es Hinweise auf eine Beteiligung Syriens an dem Bombenanschlag auf Hariri. Damaskus bestreitet dies.
Syrien war die letzte Station von Steinmeiers Nahost-Reise. Es war die sechste Reise des Ministers in die Krisenregion in diesem Jahr.
Nach schweren Zusammenstößen zwischen Anhängern von Regierung und Opposition hat sich die Lage in Beirut weiter verschärft. Die pro-syrische Opposition um die schiitischen Parteien Hisbollah und Amal rief ihre Anhänger nach dem Tod eines schiitischen Aktivisten auf, heute in großer Zahl am Begräbnis des »Märtyrers Ahmed Mahmud« teilzunehmen. Die Armee verstärkte ihre Präsenz im Stadtteil Kaskas, dem Schauplatz der Zusammenstöße vom Sonntagabend.
Einwohner Beiruts äußerten die Sorge, die Proteste könnten in eine Konfrontation zwischen Schiiten und Sunniten ausarten. In dem vorwiegend von Sunniten bewohnten Viertel war es am Sonntag zu einer Schlägerei zwischen Anhängern der Schiiten-Gruppen Amal und Hisbollah und Anhängern der sunnitischen Hariri-Familie gekommen. Im Anschluss daran war der 20 Jahre alte Aktivist Mahmud erschossen worden. Nach Angaben aus Armeekreisen wurden nach dem Zwischenfall, bei dem ein Dutzend weitere Menschen zum Teil schwer verletzt worden waren, mehrere Verdächtige festgenommen. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 05.12.2006