05.12.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Ärzte-Protest sorgt für
Ansturm auf Notfallpraxis

97 von 120 Praxen zu - Verständnis bei Patienten

Bielefeld (hu). In der Notfallpraxis der »Statt-Klinik« neben den Städtischen Kliniken Mitte herrschte gestern Hochbetrieb. Weil in der ganzen Stadt die meisten Praxen wegen des bundesweiten Ärzte-Protesttages geschlossen blieben, hatten die Mediziner dort deutlich mehr zu tun als sonst.

»Wir haben uns auf den Andrang eingestellt und deshalb mit doppelter Besetzung gearbeitet«, sagte gestern Dr. Peter Speitel, einer der diensthabenden Ärzte in der Notfallpraxis. Insgesamt sechs Ärzte - drei in der Praxis und weitere drei, die im Fahrdienst die Patienten zu Hause aufsuchten - waren im Einsatz. Und sie hatten alle Hände voll zu tun. Denn von den 120 Hausarzt-Praxen waren gestern 97 geschlossen, sagte Speitel. Auch zahlreiche Apotheken in der Stadt waren betroffen.
Etwa 80 Erwachsene und mehr als 100 Kinder wurden gestern bis zum frühen Nachmittag in der Notfallpraxis versorgt - an normalen Tagen sind es etwa 100. »Viele hatten sich sicher auf den Protest eingestellt und ihren Arztbesuch verschoben. Doch Patienten der laufenden Versorgung, etwa in der Thrombose-Prophylaxe, mussten natürlich kommen«, erklärte Speitel.
Bei den Patienten stieß der Protesttag auf unterschiedliche Reaktionen. »Normalerweise habe ich Verständnis für die Aktion. Dennoch ist es sehr umständlich für mich«, sagte Dietmar Sundermann (40), der gestern Vormittag in die Notfallpraxis gekommen war. Von der Protestaktion hatte er aus den Medien erfahren, jedoch habe er nicht damit gerechnet, dass auch sein Arzt sich daran beteiligen würde.
Auch Verena Wiegandt (22) hält den gestrigen Aktionstag für gerechtfertigt. Bevor sie zur Notfallpraxis kam, war sie bereits bei zwei anderen Ärzten. »Bei dem einen hing ein Schild, dass geschlossen ist, bei dem anderen war die Tür einfach abgeschlossen. Ich habe erst nach einem Anruf erfahren, dass ich mich an die Notfallpraxis wenden kann.«
Aus der Sicht von Peter Harnold (75), der seine Schwägerin nach einem Sturz in die Notfallpraxis begleitete, ist der Protest nicht berechtigt. »Die Aktion haben die oberen Führungskräfte initiiert, nicht die niedergelassenen Ärzte. Ich befürchte, dass die Funktionäre mehr Angst um ihre eigene Existenz als als um die der Ärzte haben«, sagte Harnold.
Peter Speitel rechnet damit, dass am heutigen Dienstag in den Bielefelder Arztpraxen reger Betrieb sein wird. »Der Montagsansturm findet nun einen Tag später statt.«

Artikel vom 05.12.2006