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Im Bremer Tor steht ein Boxer

Endspiel gegen FC Barcelona: Tim Wiese will seine Kiste sauber halten

Von Klaus Lükewille
Barcelona (WB). Er trägt zwar nur die Nummer 18, aber beim SV Werder Bremen ist er unbestritten die Nummer 1. Tim Wiese (26) hat Routinier Andreas Reinke (37) endgültig abgelöst und steht heute vor seiner bisher größten Bewährungsprobe. Wiese weiß: »Wenn ich keinen Treffer kassiere, dann sind wir im Achtelfinale.«

Stimmt. Denn Werder reicht ja beim »Finale« der Gruppe A in der Champions-League-Vorrunde schon ein 0:0 gegen den Titelverteidiger FC Barcelona. Vor diesem Hit (20.45 Uhr/Premiere) im Stadion »Nou Camp« gibt sich Bremens Schlussmann zuversichtlich: »Ich glaube, dass Barcelona Respekt vor uns haben wird. Ich freue mich auf dieses Spiel.«
Wieses Bilanz in der Königsklasse kann sich sehen lassen. Vier Spiele, bisher nur ein Gegentor. Beim 0:2 in Chelsea musste er verletzt zuschauen, damals durfte Reinke noch einmal rein. Vor zwei Wochen, beim Rückspiel gegen die Engländer, war Wiese der große Rückhalt und sicherte mit erstklassigen Paraden den so wertvollen 1:0-Erfolg. Auch gegen Sofia (3:0 und 2:0) hielt er seine Kiste sauber. Nur einer hat Wiese in der Vorrunde bisher bezwungen: Lionel Messi mit seinem Last-Minute-Ausgleich zum 1:1 für Barcelona. Doch der Argentinier kann ihn heute nicht noch einmal treffen, er kuriert einen Fußbruch aus.
»Aber die haben genug gute Leute, die mir einen heißen Abend bereiten dürften«, ahnt Wiese, der aber auch vor den Kunstschüssen eines Ronaldinho keine Angst kennt: »Es ist doch toll, dass man gegen solche Stars spielen darf.«
Der für ihn weltbeste Angreifer schießt ja außerdem auf das andere Tor: »Miroslav Klose ist in einer absoluten Topform. Gut, dass der in unserem Team steht.« Und das soll möglichst lange so bleiben: Werder bemüht sich um die vorzeitige Vertragsverlängerung. Der Kontrakt mit Klose läuft bis 2008. So lange hat sich auch Wiese an den Verein gebunden und schließt nicht aus, dass es eine Dauerbeschäftigung werden könnte: »Werder ist ein Top-Verein. Auch die Stadt gefällt mir sehr gut.«
DJK Dürscheid, Bayer Leverkusen, Fortuna Köln und der 1. FC Kaiserslautern, das waren bisher die Stationen des Torverhüters, der 2005 an die Weser wechselte. Zwei Kreuzbandrisse hat er schon überstanden. Schmerzhafte Tage, die Wiese nur noch stärker gemacht haben: »Da sagte ich mir immer: Bald bist du wieder da.«
Rücktrittsgedanken kamen auch nicht eine Sekunde hoch, als er am 7. März 2006 so folgenschwer gepatzt hatte. Damals schenkte er Juventus Turin das Tor zum 2:1 und den Einzug ins Viertelfinale, als er nach einer Schauparade noch eine Rolle machte - und dabei die Kugel fallen ließ. »Mein schwärzester Moment«, erinnert sich Wiese, der daraus eine Lehre zog: Man muss nicht jeden Ball fangen, man darf auch fausten. Und seitdem steht im Werder-Tor manchmal ein »Boxer«.
Die knallharten »Rechten« oder »Linken« passen dagegen gar nicht zu einem Trikot, in dem Wiese schon mehrfach aufgelaufen ist. Inzwischen nicht mehr so oft: Denn Baby-rosa finden die Bremer ziemlich hässlich, also trägt Wiese jetzt ein gelbes Hemd mit der 18.
Auch heute in Barcelona. Wenn das große Finale steigt. Und der Schlussmann ist selbstverständlich mit der offensiven Ausrichtung seiner Elf einverstanden: »Wir dürfen uns auf keinen Fall hinten rein stellen. Dann kriegen wir die Bude voll.« Genau das will Wiese ja verhindern. Er möchte unbedingt »zu Null« spielen. Kein Gegentor - und Werder hätte die Sensation geschafft.

Artikel vom 05.12.2006