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Grüne lehnen Abzug
aus Afghanistan ab

Parteispitze erhält bei Wahlen erheblichen Dämpfer

Köln (dpa). Angesichts der anhaltenden Gewalt in Afghanistan haben sich die Grünen für eine »deutliche Kurskorrektur« bei den politischen Strategien in dem Land ausgesprochen.

Nach einer leidenschaftlich geführten Debatte lehnte der Parteitag in Köln gestern einen Abzug der deutschen Truppen ebenso mehrheitlich ab wie eine Erweiterung des Mandats auf den afghanischen Süden. Dabei stimmten die Delegierten auch gegen einen Antrag des Parteilinken Hans-Christian Ströbele, über einen Rückzug »nachzudenken«.
Mehrere Redner, darunter auch Parteichefin Claudia Roth, hatten vor einem solchen Signal gewarnt. Darüber hinaus beschlossen die Delegierten die Einsetzung einer Kommission, die die Auslandseinsätze der Bundeswehr überprüfen und bewerten soll. In ihrem Beschluss verweisen die Grünen allgemein darauf, dass der Einsatz militärischer Mittel im Kampf gegen den Terrorismus »weiterhin notwendig« sei. Betont wird der Vorrang politischer Mittel.
Zudem sprachen sich die Grünen gestern für eine rasche Wiederbelebung des festgefahrenen Verfassungsprozesses in der Europäischen Union aus. Die Bundesregierung müsse die deutsche EU-Ratspräsidentschaft 2007 für »eine entscheidende Weiterentwicklung der europäischen Integration« nutzen, heißt es in einem Beschluss des Parteitags. »Wir müssen rauskommen aus der Blockade«, sagte Fraktionsvize Jürgen Trittin.
Am Samstag hatten die Grünen ihrer Parteispitze einen deutlichen Dämpfer verpasst. Die Vorsitzenden Claudia Roth und Reinhard Bütikofer mussten bei ihrer Wiederwahl ein klar schlechteres Ergebnis hinnehmen als vor zwei Jahren. Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke konnte sich in einer Kampfkandidatur gegen ihre Berliner Herausfordererin Kirsten Böttner durchsetzen.
Roth erhielt am Samstag 66,5 Prozent der Stimmen. 2004 waren es noch 77,9 Prozent. Co-Parteichef Reinhard Bütikofer kam auf 71,8 Prozent - vor zwei Jahren hatte er 85,1 Prozent bekommen. Lemke kam auf 72,3 Prozent, Böttner erzielte 22,4 Prozent. Als Bundesschatzmeister wurde Dietmar Strehl mit 79,4 Prozent bestätigt.
Bütikofer sagte, er habe damit gerechnet, dass ihn die Diskussion über das letztlich zurückgezogene Partei-Logo Stimmen kosten würde. Außerdem könne seine Positionierung gegen Schwarz-Grün eine Rolle gespielt haben. Roth sprach von einem ehrlichen Ergebnis - auch vor dem Hintergrund, dass sie bei intern strittigen Themen klare Positionen beziehe. »Wir wären nicht mehr die grüne Partei, wenn es Ergebnisse wie bei der CDU für Frau Merkel geben würde«, sagte Roth. Kanzlerin Angela Merkel war Ende November mit gut 93 Prozent als CDU-Vorsitzende bestätigt worden.
Bereits am Freitagabend hatten Roth und Bütikofer mit ihrem Vorschlag für ein neues Parteilogo eine Schlappe erlitten. Das moderner erscheinende Emblem erhielt keine klare Mehrheit und wurde zurückgezogen.
Am Samstag beschloss die große Mehrheit des Parteitages nach einer konzentrierten Debatte über einen radikaleren Klimaschutz drastische Forderungen gegen die Erderwärmung. Bütikofer rief die 700 Delegierten dazu auf, »Radikalität, Realismus und Leidenschaft« zu verbinden. Zu den Forderungen gehören ein Tempolimit von 130 auf Autobahnen und eine Steuer auf Flugbenzin zur drastischen Senkung des Kraftstoff-Verbrauchs. Per City-Maut soll in geeigneten Städten der Nahverkehr gestärkt werden. Bütikofer: »Für uns als Grüne ist das keine neue Richtung, es ist ein neuer Schwung.« Die Partei müsse die Menschen auf diesem Weg mitnehmen.

Artikel vom 04.12.2006